Zwischen Politik und dem Kampf um die Einheit

Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt. So lautet das Thema der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Wo und wie bewegt die Liebe Christi? Welche Rolle können die Kirchen bei Versöhnung spielen? In Bezug auf Südafrika entwirft Professor Simangaliso R. Kumalo ein düsteres Gesamtbild, das geprägt ist von Politik und Abgrenzung.

Die Rolle der Kirche in der südafrikanischen Politik ist und war komplex und zuweilen ambivalent. Einige Kirchen wie die Niederländisch-Reformierte Kirche (NGK) unterstützten eifrig die Apartheid, andere waren prophetisch und kämpften gegen sie. Eine dritte Gruppe von hauptsächlich afrikanischen unabhängigen und pfingstlichen, evangelikalen und charismatischen (PEC) Kirchen blieb unbeteiligt. Diese Positionen veränderten sich in der Post-Apartheid-Ära. Diejenigen, die die Apartheid aktiv unterstützten, traten in den Hintergrund und schämten sich für ihre Rolle bei der Unterstützung und Rechtfertigung eines Systems, das die Schwarzen entmenschlichte. Diejenigen, die sich lautstark gegen die Apartheid aussprachen, verstummten. Einige von denjenigen, die sich neutral verhalten hatten, wollten sich auch weiterhin nicht in gesellschaftspolitische Fragen einmischen. Sie konzentrierten sich stattdessen auf das Leben nach dem Tod und betonten in gewisser Weise widersprüchlich den materiellen Wohlstand ihrer Anhänger*innen. Wieder andere wurden plötzlich zu eifrigen Befürworter*innen des Post-Apartheid-Staates.

Die unterschiedlichen Auffassungen dieser in ein und demselben Kontext agierenden Stränge der Kirche stellen eine Herausforderung für die Rolle der Kirche Christi in diesem Kontext dar. Wie sollte sich die Kirche gegenüber der staatlichen Macht positionieren? Wird angesichts der unterschiedlichen Schwerpunkte und Haltungen zu gesellschaftspolitischen Fragen jemals christliche Einheit möglich sein? Wie sollte die christliche Antwort auf die zahllosen Herausforderungen aussehen, mit denen das Land konfrontiert ist?

Kirche im Apartheidsystem

Die Niederländisch-Reformierte Kirche (NGK) spielte eine einflussreiche Rolle bei der ideologischen Formierung und Rechtfertigung des Apartheidsystems. Sie war einflussreich für die Einführung der Rassentrennung und der dogmatischen Untermauerung von Rassenvorurteilen. Im Jahr 1935 verabschiedete die NGK die „Missionspolitik“, die vorsah, dass „die Missionsarbeit zu selbsttragenden, selbstverwalteten und sich selbst ausbreitenden Bantu-Kirchen führen sollte“ (J.A. Loubser). In der Richtlinie wurde argumentiert, dass es aufgrund der rassischen, kulturellen und ethnischen Vielfalt innerhalb der NGK am besten sei, die Kirchen nach Rassen zu trennen und dass sie sich parallel zueinander entwickeln sollten. Im Bericht der Generalsynode von 1974 „Human Relations and the South African Scene in the Light of Scripture“, hieß es: „Ein politisches System, das auf der autogenen oder getrennten Entwicklung verschiedener Bevölkerungsgruppen beruht, kann von der Bibel her gerechtfertigt werden“ (J.A. Loubser). Die NGK, die als „Nationale Partei im Gebet“ bezeichnet wurde, fungierte hier als Staatskirche. Die NGK, Gründungsmitglied des Südafrikanischen Kirchenrates (SACC), trat Anfang der 1970er Jahre wegen der Anti-Apartheid-Haltung des SACC aus. Mit dem Ende der Apartheid verstummte die NGK aus Scham, ein so böses und unchristliches System unterstützt zu haben. Der Verlust ihrer Glaubwürdigkeit hat dazu geführt, dass sie sich nicht mehr zu gesellschaftspolitischen Themen äußern will. Die Vollmitgliedschaft der NGK in der SACC wurde jedoch im Juli 2004 wieder aufgenommen, nachdem sie sich von der Apartheid distanziert und kategorisch erklärt hatte, dass die gesamte Politik der Apartheid Ketzerei sei.

Angesichts des brutalen Apartheidsystems, das die Menschen schwarzer und brauner Hautfarbe erniedrigte und entmenschlichte, blieb den überwiegend protestantischen Kirchen unter dem Banner des Südafrikanischen Kirchenrates (SACC) keine andere Wahl, als sich im Kampf für Gerechtigkeit und Menschenrechte zu engagieren. Der SACC, der sich die Befreiungstheologie zu eigen machte, wurde zur geistlichen Heimat für die Unterdrückten, die Armen, die ausgebeutete Arbeiterklasse und die Befreiungsbewegungen, die gegen das System kämpften. Für ihre kompromisslose Haltung gegenüber dem System zahlten ihre Führer einen hohen Preis in Form von Verhaftungen, Folter und versuchten Attentaten. Es ist keine Übertreibung, dass der SACC einer der sichtbarsten zivilgesellschaftlichen Akteure des Befreiungskampfes in den 1980er Jahren war. Der SACC war eine unglaublich starke Organisation, die sich durch eine klare Vision und eine theologische Fundierung ihrer Arbeit auszeichnete. Er hatte ein starkes Gefühl für Ziel und Richtung, eingebettet in eine authentische prophetische Stimme der Unterdrückten und Stimmlosen.

Kritische Solidarität

In den Verwicklungen des Kampfes war der SACC unvorbereitet auf den Übergang zur Demokratie. In seinen Beziehungen zum Post-Apartheid-Staat verfolgte der SACC eine Haltung der „kritischen Solidarität“. Er unterstützte diejenigen Initiativen der Regierung unter Führung des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), die Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie fördern, während er gleichzeitig weiterhin gegen ungerechte Politik protestieren und die Interessen der Armen und Minderheitengruppen schützen wollte. In Wirklichkeit war der Rat jedoch eher „solidarisch“ mit seinen ehemaligen Kampfverbündeten, die zur Regierungspartei wurden, als dass er sie „kritisierte“. Da das Übel der Apartheid beseitigt war, gab es keine klare Opposition mehr, gegen die man sich hätte aussprechen können. Viele der einst aktiven Mitgliedskirchen zogen sich in ihre konfessionellen Enklaven zurück. Die Situation wurde noch dadurch verschärft, dass es an einer Führung fehlte, die das Schiff in dieser kritischen Zeit hätte lenken können, nachdem die meisten seiner Führer, vor allem Frank Chikane, Allan Boesak, Brigalia Bam und Molefe Tsele, in politische Ämter gewechselt waren und andere in die Wissenschaft gegangen waren. Es gab weder einen Imperativ für die Ökumene noch eine theologische Grundlage, auf die man zurückgreifen konnte, um das Engagement der Kirchen für die Ökumene zu motivieren. Der SACC befand sich in einer Identitätskrise. Die finanziellen Mittel versiegten, und er war gezwungen, Personal zu entlassen und Programme einzustellen.

Die Kirchen des SACC bemühten sich, die Position des Rates als authentische Stimme der Kirchen zurückzuerobern. Diese Bemühungen scheinen erfolgreich gewesen zu sein, da der SACC begann, auf der nationalen Bühne sichtbar zu werden und seine Medienpräsenz zunahm. In den letzten zehn Jahren hat er sich offen gegen Korruption und Missstände in der Regierung und in staatlichen Unternehmen ausgesprochen. Im Jahr 2012 schrieb der SACC einen offenen Brief, in dem er die damalige Führung als „selbst-süchtig und arrogant“ anprangerte. Im Jahr 2016 forderte er den skandalumwitterten Staatspräsidenten Jacob Zuma zum Rücktritt auf und startete im selben Jahr die vielbeachtete Kampagne „The South-Africa We Pray For“. Außerdem rief der SACC das „Unburdening Panel“ ins Leben, ein Forum, in dem die Öffentlichkeit ihre Erfahrungen mit Korruption austauschen konnte. Als das Coronavirus ausbrach, stand die ökumenische Organisation an vorderster Front und forderte die Südafrikaner*innen auf, sich an die Covid-19-Vorschriften zu halten, und unterstützte auch die Schließung von Kirchen und anderen religiösen Aktivitäten als Maßnahme zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus. Er hat sich auch für Impfungen eingesetzt.

Politische Macht oder Kirche?

Nach dem Ende der Apartheid verschoben sich die Prioritäten der PEC-Kirchen, und wir wurden Zeugen ihres wachsenden politischen Einflusses. Während sich die etablierten Kirchen in konfessionelle Enklaven zurückzogen, rückten die PEC-Gruppen paradoxerweise in die Mitte, da sie sich den liberal-demokratischen Verfassungsbestimmungen der Regierung zu moralischen Fragen wie Abtreibung und gleichgeschlechtlicher Ehe widersetzten. Einige der „progressivsten“ Merkmale der Bill of Rights trugen dazu bei, dass einige, insbesondere weiße konservative Evangelikale, die während der Apartheid-Ära die Kunst der Konfrontationsvermeidung perfektioniert hatten, mit neuem und kämpferischem Eifer in die Politik gingen. Die evangelikale African Christian Democratic Party (ACDP) wurde 1993 gegründet und wuchs gerade wegen des Widerstands gegen die politische Liberalisierung. Es ist jedoch zu bedenken, dass die PEC eine breite Bewegung mit unterschiedlichen Interessen und Reaktionen auf die politische Situation in Südafrika war. Einige Evangelikale kritisierten beispielsweise die ACDP dafür, dass sie sich sehr eng mit den Themen Abtreibung, Pornografie und Homosexualität beschäftigte und keine systematische Theologie zu Fragen des Aufbaus der Nation und der Erzielung von Fortschritt hatte. Pastor Ray McCauley von der evangelikalen Rhema Bible Church schimpfte, die ACDP wisse nicht, „ob sie eine Kirche oder eine politische Macht sein will“.

Mit der Schwächung des SACC traten die PEC-Kirchen und neue ökumenische Gruppierungen, die mit dem Rat verbunden sind, hervor, um die Lücke zu füllen. Sie nahmen eine Pro-Establishment-Haltung ein und gewannen während der Amtszeit von Präsident Zuma auf der nationalen politischen Bühne an Bedeutung. Zuma verband sich während seiner Präsidentschaft eng mit führenden PEC Pastoren und wurde 2007 von Pastor Vusi Dube von der eThekwini Community Church zum Ehrenpastor ordiniert. Danach drängten sich die PEC-Pastoren, um ihn bei seiner Wahl zum ANC-Präsidenten zu unterstützen. Im Vorfeld der Wahlen 2009 warb Zuma erfolgreich um die PEC-Kirchen. Im Juli 2009 lud er McCauley ein, den von den PEC-Kirchen dominierten National Interfaith Leadership Council (NILC) zu leiten, der mit der Regierung bei der Verbesserung der Grundversorgung zusammenarbeiten soll. Der SACC wurde ausgegrenzt, weil die ANC-geführte Regierung Kirchen bevorzugte, die eine unterstützende Rolle einnahmen. Mindestens vier Mitglieder des NILC waren ANC-Abgeordnete. McCauley revanchierte sich, indem er Zuma einige Wochen vor den nationalen Wahlen 2009 in seine Kirche einlud und damit seine politische Unterstützung für ihn zum Ausdruck brachte. Im Vorfeld der Wahlen 2014 luden mehrere Pfingstkirchen ANC-Führer ein, während der Sonntagsgottesdienste zu ihren Gemeinden zu sprechen.

Hoffnung auf christliche Einheit?

Die PEC-Kirchen hatten zu den Ungerechtigkeiten und der Korruption im Lande geschwiegen. Sie haben es wieder einmal versäumt, aus politischer Opportunität heraus prophetisch zu sprechen. So sind sie angesichts des Leidens der Massen zu Komplizen der Staatsmacht geworden und haben es versäumt, die Politiker*innen zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Kirchen sind dafür bekannt, dass sie sich weigern, in den etablierten ökumenischen Strukturen wie dem SACC zu arbeiten und mit ihm zu kooperieren. An anderer Stelle habe ich die Kirchen aufgefordert, über die konfessionellen Grenzen hinweg auf Einheit hinzuarbeiten. Ich habe argumentiert, dass der Konfessionalismus zu einer anderen Form der Ethnizität geworden ist. Die Mauern, die durch den Konfessionalismus entstanden sind, müssen fallen, sie stehen nicht im Einklang mit dem Aufruf des Evangeliums an die Christ*innen, eins zu sein. Einige haben den SACC dafür kritisiert, dass er behauptet, im Namen der Christenheit zu sprechen, obwohl er ihrer Meinung nach nicht über dieses Mandat verfügt. Während der SACC Christ*innen ermutigte, die Covid-19-Vorschriften und -Protokolle zu respektieren, einschließlich der Schließung von Gotteshäusern, waren viele PEC-Kirchen mit dieser Idee nicht glücklich und riefen dazu auf, die Vorschriften zu missachten. Als der SACC die Südafrikaner*innen ermutigte, sich impfen zu lassen, verunglimpften viele PEC-Kirchen den Impfstoff als das „Zeichen des Tieres“. Der Oberste Richter Mogoeng Mogoeng, ein charismatischer Pastor, vertrat folgende Haltung Anfang des Jahres in einem Gebet:

„Wenn es einen Impfstoff gibt, der vom Teufel ist, der die dreifache Sechs [666] in das Leben der Menschen einbringen soll, der ihre DNA korrumpieren soll, dann möge er, Herr, allmächtiger Gott, im Namen Jesu durch Feuer zerstört werden.“

Die obigen Ausführungen lassen ernste Zweifel aufkommen, dass es eine Einheit unter den Christ*innen in Südafrika geben wird. Wird der Leib Christi jemals zusammenkommen und mit einer Stimme gegen die räuberische politische Elite sprechen, die das Geld stiehlt, das eigentlich den Ärmsten der Armen zugutekommen soll? Können sich die Kirchen jemals über kleinliche, kurzfristige politische Gewinne hinwegsetzen und für die Rechte der Armen, Witwen, Waisen und Fremden eintreten? So wie es aussieht, ist es eher unwahrscheinlich.

Von Simangaliso R. Kumalo für das EMW-Themenheft 2021


Zur Person

Simangaliso R. Kumalo, PhD, ist Theologie-Professor an der Universität von KwaZulu-Natal, Südafrika.

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