Bindeglied der Veränderung

Südafrika – ein wunderschönes Land mit vielen Problemen. Dass zwar 80 Prozent der Bevölkerung Christ*innen sind, aber gleichzeitig viele Gemeindeleitende keine formale theologische Ausbildung haben, ist eins davon. Das Projekt Ekklesia an der Universität Stellenbosch möchte hierbei Lösung und Hilfe sein.

Zur Universität Stellenbosch gehören neben Theologie noch neun weitere Fakultäten. © Foto: Matthias Bethke/Wikimedia (CC-BY-SA-4.0) | Zur Universität Stellenbosch gehören neben Theologie noch neun weitere Fakultäten.

Südafrika ist wunderschön – und sehr gefährlich. Auch beinahe 30 Jahre nach der Abschaffung der Apartheid ist das Land vor allem durch Selbstidentifikation in ethnische Gruppen gespalten. Gegenseitiger Rassismus und kriminelle Gewalt sind eine allgegenwärtige Gefahr. Gerade größere Städte wie Kapstadt und Pretoria sowie einsame Zufahrts- und Verbindungsstraßen sind besonders von kriminellen Übergriffen betroffen. Zudem hat die Republik Südafrika, wie das Land offiziell heißt, mit großen sozialen Unterschieden, ungerechten Bildungschancen und einer nicht nur im kriminellen Umfeld durchschnittlich sehr hohen Gewaltbereitschaft zu kämpfen. Auch die häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen allgemein sind ein großes Problem.

Gleichzeitig ist Südafrika vermutlich der derzeit stärkste Wirtschaftsraum des afrikanischen Kontinents – und weist statistisch eine sehr hohe Zahl an Christ*innen auf. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung gehören einer christlichen Kirche an. Neben den klassischen Pfingstkirchen und der katholischen Kirche, sind es vor allem die Unabhängigen Afrikanischen Kirchen (AIC), die die meisten Gläubigen verzeichnen. „Allerdings ist es wichtig innerhalb der AIC zu unterscheiden“, erklärt Professor Reginald Nel, Dekan der theologischen Fakultät an der Universität Stellenbosch in der Provinz Westkap. „Die AIC ist keine homogene Gruppe. Auch hier gibt es Kirchen die eher pfingstlerisch oder etwa äthiopisch-orthodox ausgerichtet sind. Und zu den Kirchen der AIC gehört auch die Zion Christian Church, die die mitgliedstärkste afrikanische Kirche in Südafrika ist“.

Ökumene hilft heilen

Den Unabhängigen Afrikanischen Kirchen kommt also innerhalb der Südafrikanischen Kirchenlandschaft eine große Bedeutung zu. Doch längst nicht alle Gemeinden der AIC verfügten über eine formal theologisch ausgebildete Pfarr- oder Pastoralperson, erklärt Nel. Dies nähmen inzwischen verschiedene Kirchen der AIC selbst zunehmend als Problem wahr – in Hinblick auf die eigene Theologie und die Ökumene.

Die Region Stellenbosch ist vor allem durch den Weinanbau geprägt. © Foto: Ashim D'Silva/unsplash | Die Region Stellenbosch ist vor allem durch den Weinanbau geprägt.

Ein Lösungsangebot kommt von der Universität Stellenbosch: Das Projekt Ekklesia – Ecumenical Centre for Leadership Development and Congregtional Studies ist angegliedert an die dortige theologische Fakultät und wird unter anderem durch Fördermittel aus der EMW unterstützt. Seit seiner Gründung 2008 hat Ekklesia sich zu einem Netzwerk entwickelt, das sich vor allem zur Aufgabe gemacht hat, Pastor*innen aus- und weiterzubilden. Und auch gefährlichen Irrlehren entgegenzuwirken, die die Allafrikanische Kirchenkonferenz vor einiger Zeit als ein großes Problem ausgemacht hat. Ekklesia will Gemeindeleitende aber auch sprachfähig machen, nicht nur über Theologie, sondern auch in Bezug auf gesellschaftliche Probleme. Das praktische und ökumenische Zusammenarbeiten, davon sind die Mitarbeitenden bei Ekklesia überzeugt, kann auch dazu beitragen, die Wunden in der südafrikanischen Gesellschaft zu heilen. Zum Ekklesia-Netzwerk gehören 20 Kirchen und Partnerorganisationen vor allem pfingstlerischer Prägung, die versuchen daran mitzuwirken, die großen gesellschaftlichen Unterschiede und dadurch entstehende geringere Bildungschancen, die sich bis in die Kirchenleitungen hineinziehen, auszugleichen. Ekklesia will ein Bindeglied zwischen der Universität und den Kirchen sein.

Zwischen Weinbergen und Townships

Stellenbosch liegt etwa 50 Kilometer von Kapstadt entfernt in den Bergen, umgeben von einem großen Weinbaugebiet. Dass Ekklesia gerade hier gegründet wurde, ist kein Zufall. Die Universität Stellenbosch ist eine der bedeutenden Hochschulen Südafrikas und die örtlichen Gegebenheiten Stellenboschs schufen ein besonderes Verständnis für die Herausforderungen der AIC.

„Rund um Stellenbosch befinden sich mehrere Townships, in denen viele dieser unabhängigen Kirchengemeinden angesiedelt sind. Längst nicht jede dieser Gemeinden der Kirchen der AIC verfügt über ein eigenes Gebäude. Manche treffen sich in Schulen, öffentlichen Gebäuden oder Plätzen, in Parks oder sie versammeln sich vielleicht einfach unter einem Baum. Dort vollziehen sie dann verschiedene liturgische Rituale“, schildert Professor Reginald Nel die Situation. „Viele der Pastor*innen, die zu uns kommen, leiten ihre Gemeinde nur nebenberuflich. Sie sind vielleicht Sozialarbeiter*innen, Lehrer*innen, Polizist*innen, viele sind sogar arbeitslos. In der Regel haben diese Gemeindeleitenden, außer Schulungen in ihrer Gemeinde, keine formale theologische Ausbildung. Ekklesia ist für manche dieser Pastor*innen nicht nur eine Chance auf eine theologische Bildung, sondern Bildung überhaupt.“

Es geht nicht nur um die Kirche

Dekan Prof. Reginald Nel © Foto: privat | Dekan Prof. Reginald Nel

Reginald Nel ist überzeugt, dass das Ekklesia-Programm die Teilnehmenden bereichert. Er habe in Gesprächen immer wieder erlebt, wie Menschen durch das Programm befreit, befähigt und ermutigt wurden sich nicht nur theologisch kirchenübergreifend, sondern auch mit den gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen. Und dies geht weit über die persönliche Entwicklung hinaus. Denn auch die Kirchen, ihre Lehren und ihr Einfluss auf die Gesellschaft profitieren davon. Dieser Erfolg gibt dem Ekklesia-Projekt recht. Und so ist aus dem visionären Pilotprojekt kürzlich ein fester Bestandteil der theologischen Fakultät der Universität Stellenbosch geworden. Zur besonderen Freude von Prof. Reginald Nel: „Letzten Endes wollen wir, dass unsere Kirchen und unsere Leitenden nicht nur die Kirche beeinflussen. Es geht nicht nur um die Kirche. Letztendlich wollen wir, dass sich unsere Leitungspersonen mit der Komplexität unserer Gesellschaft auseinandersetzen und sie positiv beeinflussen“.

Tanja Stünckel


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