Blatt gegen Tiefseebergbau wendet sich

Der Moment, in dem sich das Blatt gegen Tiefseebergbau wendete: Die UN-Ozeankonferenz 2022 in Lissabon hat die Chance für einen ambitionierten Meeresschutz vertan. Und doch ein starkes Zeichen gegen Tiefseebergbau gesetzt.

Aktivist*innen hatten sich noch mehr von der UN-Ozeankonferenz erhofft. © Foto: Jan Pingel/Ozeanien-Dialog | Aktivist*innen hatten sich noch mehr von der UN-Ozeankonferenz erhofft.

Ende Juni standen in Lissabon für eine Woche die Meere, ihr Zustand und ihr Schutz im Mittelpunkt der Meereskonferenz der Vereinten Nationen. Die Meere und die vom Meer lebenden Menschen sind durch Klimawandel, Überfischung, Ausbeutung, Verschmutzung und andere Krisen akut bedroht. Multilaterale Lösungen für diese Krise gibt es kaum.

Die Konferenz, für die rund 11.000 Teilnehmende aus Politik, Zivilgesellschaft, Medien und Wissenschaft angereist waren, hat viele Themen auf die öffentliche Agenda gebracht und einzelne Ziele benannt. Doch hat sie weder ausgewertet, inwieweit die Ziele vergangener Konferenzen umgesetzt wurden, noch hat sie festgelegt, wie künftige Maßnahmen überprüft werden sollen. Die Abschlusserklärung bietet nicht mehr als Versprechungen, Selbstverpflichtungen und Unverbindlichkeit. Damit hat man die Chance für dringend benötigten Meeresschutz vertan und wichtige Weichenstellungen erneut auf Folgekonferenzen verschoben.

Wie so oft: Pazifische Initiativen geben den Weg vor

Positiv zu bewerten sind eine Vielzahl von Einzelinitiativen, die im Rahmen der Meereskonferenz gestartet wurden – überwiegend von pazifischer Zivilgesellschaft und deren internationalen Partnern. So spielte Fischerei und vor allem die küstennahe Kleinfischerei auf der Konferenz eine gewichtige Rolle. Die Bedeutung der Kleinfischerei für Ernährungssicherheit und Beschäftigung im Globalen Süden – insbesondere in der Pazifischen Inselwelt – wurde vielfach betont. Fehlender Zugang zu Fischgründen, Überfischung, illegale Fischerei und mangelndes Fischereimanagement wurden als Hauptprobleme benannt. Ein Ende der Überfischung kann einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten und muss daher im Fokus der internationalen politischen Diskussionen stehen.

Die UN-Ozeankonferenz 2022 in Lissabon hat eine Chance für den Meeresschutz vertan. © Foto: Jan Pingel/Ozeanien-Dialog | Die UN-Ozeankonferenz 2022 in Lissabon hat eine Chance für den Meeresschutz vertan.

Klar wurde auch, dass Menschenrechte der Bevölkerung an den Meeresküsten geachtet werden müssen. Dazu gehört zuallererst das Recht auf intakte Meeresökosysteme, die eine Voraussetzung für jede dauerhafte, nachhaltige Nutzung darstellen.

Die pazifischen Inselstaaten Palau und Fidschi setzten mit einem Paukenschlag am ersten Konferenztag einen Schwerpunkt für den weiteren Konferenzverlauf. Sie fordern ein Moratorium für Tiefseebergbau. Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) soll vorerst keine Genehmigungen für einen Abbau am Meeresboden erteilen. Es muss verhindert werden, dass die Abbauindustrie die fast völlig unerforschten Tiefsee-Ökosysteme unwiederbringlich zerstört und Menschenrechte verletzt.

Am zweiten Konferenztag stellte sich eine Allianz von pazifischen Parlamentarier*innen gegen Tiefseebergbau vor und bekam unmittelbar internationale Unterstützung – unter anderem aus dem Europaparlament. So entstand im Verlauf der Woche, ausgehend von pazifischen Initiativen, ein starkes Momentum gegen Tiefseebergbau und machte die bald Realität zu werden drohende Industrie zu dem bestimmenden Thema der Konferenz.

Wie so oft: Deutschland muss nachziehen

Wohl vom Spirit der Konferenz angesteckt, forderte der französische Präsident Macron überraschend die Schaffung eines Regelwerks, um den Tiefseebergbau im Bereich der Hohen See zu verbieten. Bundesumweltministerin Steffi Lemke, auch vor Ort in Lissabon, begrüßte den Vorstoß Frankreichs für ein Verbot von Tiefseebergbau und kommentierte: „Das ist ein starkes Statement“.

Gemeinsam mit pazifischer Zivilgesellschaft und internationalen Partnern drängt auch der Ozenanien-Dialog darauf, dass der Moment gegen Tiefseebergbau und für rechtebasierten Meeresschutz, der in Lissabon entstanden ist, anhält und den vielversprechenden, staatlichen Statements echte Taten folgen, benötigte Gelder fließen und Verbindlichkeit entsteht.

Der Direktor eines internationalen Meeres-Think Tanks sagte zum Abschluss in Lissabon, dass diese Konferenz erinnert werden wird als „Moment, in dem sich das Blatt gegen Tiefseebergbau wendete“.

Pazifische Staaten und zivilgesellschaftliche Initiativen haben die Konferenz bestimmt und sind erneut vorangegangen für internationale Meeres- und Klimagerechtigkeit. Deutschland muss nun dringend nachziehen und es nicht allein bei losen Ankündigungen belassen.

Jan Pingel ist Koordinator des Ozeanien-Dialogs.


Statement gegen Tiefseebergbau – Drawing the Pacific Blue Line

Wichtige Teile der pazifischen Zivilgesellschaft, darunter die Pazifische Kirchenkonferenz (PCC), die Pacific Islands Association of NGOs (PIANGO), Development Alternatives with Women for a New Era (DAWN) und das Pacific Network on Globalisation (PANG) veröffentlichten im März 2021 das Statement „Drawing the Pacific Blue Line. Deep Sea Mining is Not Needed, Not Wanted, Not Consented!“, in dem sie ein weltweites Verbot von Tiefseebergbau fordern.

Weitere Informationen: pacificblueline.org

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