Dekade für den Ozean

Im Juni haben die Vereinten Nationen die Dekade der Meeresforschung für nachhaltige Entwicklung ausgerufen. In den nächsten zehn Jahren sollen Akteur*innen aus Umwelt, Forschung und Wissenschaft gemeinsam den Ozean gestalten, den wir für die Zukunft brauchen: gesund, voller Leben, mit geschützten Bereichen – aber auch ein nachhaltig genutzter Wirtschaftsraum für unseren Alltag. „Um diese unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen, ist eine konzertierte Aktion notwendig“, sagt Julia Ratzmann von der Pazifik-Informationsstelle. Um auf die Dekade aufmerksam zu machen und das Interesse für den Ozean zu stärken, hat die Pazifik-Informationsstelle den November zum Themenmonat Ozean auserkoren.

Julia Ratzmann koordiniert die Pazifik-Informationsstelle. © Foto: MEW | Julia Ratzmann koordiniert die Pazifik-Informationsstelle.

Wieso braucht der Ozean unsere besondere Aufmerksamkeit?

Nicht umsonst heißt unsere Erde im Volksmund auch „der blaue Planet“. 70 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Allein ein Drittel unserer Erde wird dabei vom Pazifischen Ozean eingenommen, er ist der größte und mit 10.000 Metern Tiefe auch der tiefste Ozean. Als „Landbewohner*innen“ vergessen wir oft, wie wichtig der Ozean für viele Küstenbewohner*innen ist. Er bietet Nahrung, Einkommensmöglichkeiten, Transportwege, Rohstoffe, erneuerbare Energien und nicht zuletzt auch die Möglichkeit zu Ruhe und Erholung. Ein Tag am Meer ist jedes Mal wie ein kleiner Urlaub. Wenn wir diese Auszeiten weiter genießen wollen, helfen schon kleine Veränderungen im Alltag. So haben Wissenschaftler*innen etwa errechnet, dass sich 8,3 Milliarden Plastiktrinkhalme in den Meeren befinden. Wer auf Glastrinkhalme umsteigt, schützt also indirekt die Meere.

Die Ozeane regulieren auch unser Klima und sind Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Ein Großteil der Tiefsee ist noch unentdeckt, nahezu wöchentlich stoßen Forscher*innen auf uns noch unbekannte Lebensformen. Ohne gesunde Ozeane können wir Menschen kein gesundes Leben mehr führen, deshalb müssen wir alles daransetzen, diesen Lebensraum gesund zu erhalten und nachhaltig zu nutzen.

Welche Bedeutung spielt Ihrer Meinung nach der Ozean für nachhaltige Entwicklung?

Gleich mehrere der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen nehmen die Ozeane und das Leben unter und über Wasser in den Blick. Die nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung der Weltmeere bedeuten hier, eine Balance zu finden zwischen Nutzung und Ausbeutung. Verbieten sollte man die Nutzung der Meeres-Ressourcen nicht, sondern darüber nachdenken, wie man sie gerechter verteilen und sie so nutzen kann, dass Ökosysteme im Gleichgewicht bleiben. Ein Bespiel ist der Fischfang. Millionen von Küstenbewohner*innen decken ihren Lebensunterhalt mit der Küstenfischerei. Sie wissen meist sehr genau, wo und wie viele Fische sie dem Ozean entnehmen können, um sowohl ihren Ernährungsbedarf zu decken als auch die Fischbestände nicht zu gefährden. Küstenfischerei durch Kleinstfischer gilt es daher zu bewahren und stattdessen den kommerziellen Fischfang mit seinen riesigen Treibnetzen zu begrenzen. Die Meeresforschung kann helfen, Fangsysteme zu entwickeln, die Beifänge reduzieren, besonders bedrohte Arten wie Schildkröten schützen und trotzdem den weltweiten Bedarf an Fisch und Meeresfrüchten decken.

Nicht zu vernachlässigen ist auch die touristische Nutzung der Meere. Viele Küstenstaaten sind wirtschaftlich vom Tourismus abhängig. In den letzten Jahrzehnten hat sich in den Ländern im globalen Süden das Bewusstsein darüber verstärkt, über welch wertvolle Ressource sie mit dem Meer und der Küste (den Stränden) verfügen. Zahlreiche Initiativen aus der Zivilgesellschaft bemühen sich, den Reisenden einen unvergesslichen Urlaub am und auf dem Meer zu bereiten, ohne dabei die Gesunderhaltung der Umwelt zu vernachlässigen. Die Corona-Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie dringend notwendig eine „Pause“ auch bei der touristischen Nutzung der Meere ist. Die Delfine in der Lagune von Venedig waren hier nur ein Beispiel.

Traumstrände wie die der Lagune von Aitutaki (Cook-Inseln) wird es ohne aktiven Schutz und nachhaltige Gestaltung des Ozeans nicht mehr lange geben. © Foto: Jenny Peters | Traumstrände wie die der Lagune von Aitutaki (Cook-Inseln) wird es ohne aktiven Schutz und nachhaltige Gestaltung des Ozeans nicht mehr lange geben.

Bewahrung der Schöpfung ist ein Kernanliegen von Christ*innen und Kirchen weltweit, warum sollte das Engagement den Ozean mit in den Blick nehmen?

Wer unter Gottes Schöpfung nur das Land versteht, missachtet große Teile unseres Planeten. Gerade für Inselbewohner*innen ist der Ozean viel mehr als nur ein Ort zum Leben oder Arbeiten. Sie sprechen dem Meer eine Seele zu und betrachten es wie ein Familienmitglied. Menschen und Meere sind auf spiritueller Ebene miteinander verbunden und stehen in Wechselwirkung. Deshalb ist für viele Inselbewohner*innen die Vorstellung, ihre Heimatinseln aufgrund des steigenden Meeresspiegels verlassen zu müssen, auch ganz schrecklich. Wenn wir uns ins Deutschland für Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und gegen die Klimawandelfolgen engagieren, hat das unmittelbare Auswirkungen auf Menschen in verletzlichen Regionen der Erde. Unser Engagement für bedrohte Lebenswelten und Menschen spiegelt dabei einen Kerngedanken christlichen Tuns wider: das solidarische Eintreten für den Mitmenschen und die Mit-Welt. In Gottes Schöpfung müssen Tier, Pflanze und Mensch die gleiche Berechtigung auf das „gute Leben“ haben.

Das Interview führte Corinna Waltz.

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