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Mehr ...Claudia Währisch-Oblau stellt vier aktuelle deutsche Titel zu Rassismus vor: Exit RACISM von Tupoka Ogette; Wozu Rassismus? von Aladin El-Mafaalani; Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten von Alice Hasters und Der weiße Fleck von Mohamed Amjahid.
© Foto: Tom Hermans/unsplash | Vier Bücher, die im Bücherregal nicht fehlen sollten, stellt Claudia Währisch-Oblau zum Thema Rassismus vor.
„Exit RACISM“ von Tupoka Ogette ist bereits 2017 erschienen; seit 2020 ist es ein Bestseller und inzwischen in der 9. Auflage. Es ist als Arbeitsbuch angelegt; man merkt deutlich, dass es aus einer langjährigen Erfahrung mit Antirassismus-Workshops entstanden ist. Jedes Kapitel ist aufgeteilt in „Input“ mit Sachinformationen, einen „interaktiven Teil“, in dem Ogette den Leser*innen Fragen zur Selbstreflexion stellt und zum Nachdenken anleitet, und „Logbuch“ mit Auszügen aus Texten von Menschen, die ihre Workshops besucht und eigene Denkprozesse zugänglich gemacht haben.
Ogette benutzt den Begriff „Happyland“ für den Zustand, in dem weiße Menschen leben, bevor sie sich aktiv und bewusst mit Rassismus beschäftigen. Ihr Buch will den Leser*innen helfen, aus diesem Land auszuziehen und zu erkennen, dass in Deutschland niemand nicht rassistisch sein kann. Darum gibt es Informationen zur Geschichte des Rassismus, zu Formen von Rassismus heute, zu weißen Privilegien und zu rassistischen Sprachmustern. Ausführlich setzt sich Ogette auch mit Abwehrmechanismen wie Relativierung und Derailing (Ablenkung) auseinander. Dann folgt ein Kapitel mit Geschichten von Alltagsrassismus (Woher kommst du wirklich? Kita, Schule, ÖPNV etc.), und am Ende einige Tipps für den rassismuskritischen Alltag.
Ogettes Buch empfiehlt sich für diejenigen, die sich mit ihrem eigenen, unbewussten Rassismus auseinandersetzen und ihn überwinden wollen. Es ist ein therapeutisches Buch, das vor allem zur Arbeit an sich selbst anleitet und die individuelle Verantwortung in den Blick nimmt.
„Wozu Rassismus?“ von Aladin El-Mafaalani ist im Herbst 2021 erschienen und verfolgt einen durch und durch strukturorientierten Ansatz. El-Mafaalani analysiert in klarer, scharfer Sprache Rassismus als Ideologie, strukturellen Rassismus, rassistische Diskriminierung als Prozess, institutionellen Rassismus, rassistische Diskriminierung als persönliche Erfahrung, Rassismus als pädagogische Herausforderung, und Identitätspolitik. Dabei gelingt es ihm, deutlich zu machen, dass die Selbstverständlichkeiten unserer Gesellschaft rassistisch geprägt sind, weil Aufklärung, Wissenschaft, Globalisierung, Kapitalismus und Nationalstaaten allesamt zur Hochzeit des Rassismus entstanden.
El-Mafaalani schließt mit einem Kapitel zur Rassismuskritik, die er als „kontinuierliche Praxis der Selbstreflexion und der Reflexion der sozialen Ordnung und ihrer Legitimität“ beschreibt. Analog zu seiner Theorie des „Integrationsparadox“ beschreibt er das „Rassismus-Paradox“: Die Diskussion um Rassismus heizt sich so auf, gerade weil die Verhältnisse weniger rassistisch werden: „Die zentrale Ursache für diesen gestiegenen Stellenwert des Themas ist die verbesserte Teilhabe von allen benachteiligten Gruppen in relativ kurzer Zeit. … Das heißt: Weil es weniger Diskriminierung gibt, können Diskriminierte über Diskriminierung sprechen.“ El-Mafaalanis Buch bietet eine soziologische und politische Perspektive, die in keiner Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus fehlen sollte.
„Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ von Alice Hasters ist eine fantastisch geschriebene Autobiographie, die anhand von eigenen Erfahrungen Rassismus als strukturelles und psychologisches Problem aufzeigt. Hasters erzählt Geschichten, die im Gedächtnis bleiben und nimmt sie als Ausgangspunkt für historische und soziologische Analysen. Ihr Buch besteht aus den Teilen „Alltag“, „Schule“, „Körper“, „Liebe“ und „Familie“. Um Haare, Haut, Muskeln und Po geht es in ihrem Körperkapitel. Dass Barack Obama womöglich die Wahl zum Präsidenten wohl nicht gewonnen hätte, wenn seine Frau Michelle ihre Haare nicht geglättet hätte, ist so ein Satz, anhand dessen plötzlich ein Licht auf rassistische Blickweisen fällt. Hasters‘ Buch empfehle ich für Einsteiger*innen: Es ist konkret und anschaulich, liest sich leicht und macht Lust, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen.
„Der weiße Fleck“ von Mohamed Amjahid nennt sich im Untertitel „Eine Anleitung zum antirassistischen Denken.“ Das ist dieses Buch allerdings eher nicht. Es ist eine furiose, wütende Abrechnung mit rassistischem Denken und rassistischen Strukturen und zielt vor allem darauf, den weißen Leser*innen ihre weißen Privilegien vor Augen zu führen. Im Kapitel „Opferolympiade“ setzt er sich mit bissigem Spott mit der Tatsache auseinander, dass immer wieder die imaginierte Diskriminierung weißer Gruppen (Ossis, Veganer) mit Rassismus gleichgesetzt wird. Genauso sehe sich die Polizei gern als Opfer ungerechtfertigter Rassismusvorwürfe.
Weil er vor allem Weiße in der Pflicht sieht, Rassismus zu überwinden, besteht das letzte Kapitel des Buchs aus „50 Lifestyle-Tipps für Süßkartoffeln“ mit konkreten, gut umsetzbaren Handlungsanweisungen und Denkanleitungen. Amjahids Buch ist rotzig, gelegentlich eine (nötige) Zumutung und unbedingt lesenswert. Es eignet sich vor allem für diejenigen, die sich schon etwas länger mit dem Thema auseinandersetzen.
Claudia Währisch-Oblau
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