Ein Mann, der passt

Es ist eine Rückkehr und ein Neuanfang. Brighton Katabaro aus Tansania ist neuer Studienleiter der Missionsakademie mit dem Schwerpunkt „Interkulturelle und theologische Zugänge zur Agrarökologie“. Mit diesem Ortswechsel verbindet er nicht nur beruflich große Hoffnung.

Theologie und Landwirtschaft: Brighton Katabaro (links) kann beides. © Foto: privat | Theologie und Landwirtschaft: Brighton Katabaro (links) kann beides.

Roter Backstein, Sprossenfenster, ein alter Bau im satten Grün – die Missionsakademie in Hamburg. Ein ehrwürdiges und doch irgendwie hemdsärmeliges Gebäude unweit der Elbe, das bereits seit 1955 internationale Studierende der Theologie bildet, fördert und beherbergt. Internationale und wechselnde Studienleiter*innen aus der weltweiten Ökumene gehören seit den 1980er Jahren fest zum Ausbildungskonzept. Seit Januar 2023 ist Brighton Katabaro einer von ihnen. Er bekleidet die neu geschaffene Stelle als Studienleiter mit dem Schwerpunkt „Interkulturelle und theologische Zugänge zur Agrarökologie“. Dies ist ein neuer Studienschwerpunkt für die Missionsakademie.

Brighton Katabaro ist neuer Studienleiter an der Missonsakademie. © Foto: privat | Brighton Katabaro ist neuer Studienleiter an der Missonsakademie.

Schaut man in Leben und Berufsweg des 54-Jährigen, wird schnell klar, das passt: promovierter Theologe, Pfarrer, familiär geprägter Kleinbauer und, bis zu seinem Wechsel nach Hamburg, Mitbegründer und Leiter einer Landwirtschaftlichen Fachhochschule in Tansania. „Als Theologe eine landwirtschaftliche Hochschule leiten, das kam nicht bei allen Kirchenmitgliedern gut an“, erinnert sich Brighton Katabaro an diese Zeit, „es war sogar hin und wieder das Wort ‚Ressourcenverschwendung‘ zu hören“. Doch die Diözese entschloss sich trotz des Gegenwinds dazu, den promovierten Theologen unter anderem zum Aufbau und zur Leitung einer landwirtschaftlichen Hochschule zu berufen und nicht wie zunächst beabsichtigt als Dozent in die theologische Ausbildung. „In Tansania ist Landwirtschaft beinahe für jede*n die Lebensgrundlage, man kann also körperliches und geistliches Leben nicht voneinander trennen. Daher habe ich mich dann auch gern entschieden, das zu übernehmen.“ Es entsteht das KARUCO College, das Ausbildung in landwirtschaftlicher Produktion, Tiergesundheit und -produktion sowie Unternehmer*innentum anbietet. Vier Jahre lang formuliert und gestaltet er aktiv an der Vision des KARUCO College mit, das landwirtschaftliche Gemeinschaften transformieren und helfen will, eine wohlhabende, gerechte und nachhaltige Gesellschaft aufzubauen. Als Mitte 2021 die Gelegenheit kommt, die neu geschaffene Stelle an der Missionsakademie anzutreten, überlegt er nur kurz – denn sie verbindet perfekt viele Aspekte seiner beruflichen Expertise. Zudem sind ihm Deutschland und die Missionsakademie nicht fremd. 1999 besucht er zum ersten Mal mit einer Jugendgruppe die Bundesrepublik. Von 2003 bis 2004 besuchte er einen Deutsch-Sprachkurs in Bochum, und an der Missionsakademie ist er selbst von 2004 bis 2009 Promotions-Stipendiat.

Gehen oder bleiben?

Die Zeit vor und während seiner Promotion in Deutschland gefällt ihm, trotz anfänglicher Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, sehr gut. Es ist aber auch die Zeit, in der ihn ein schwerer Schicksalsschlag trifft. Brighton Katabaros erste Frau Annajoyce kommt bei der Geburt der zweiten gemeinsamen Tochter Amanya ums Leben. Das ist im Dezember 2005 in Tansania. Plötzlich ist er allein mit zwei kleinen Kindern. Es gelingt ihm dennoch, für sich und seine beiden Töchter Aganyila und Amanya Deutschland zum Zuhause zu machen. Seine Schwester Jeniah kommt mit nach Deutschland und hilft ihm, sich um die Kinder zu kümmern. Dementsprechend schlagen zwei Herzen in seiner Brust, als nach der Promotion eine tragweite Entscheidung ansteht: „Ich wollte zu 100 Prozent gern in Deutschland bleiben, und gleichzeitig wollte ich zu 100 Prozent zurück nach Tansania“, bringt Katabaro sein damaliges Dilemma schmunzelnd auf den Punkt. Die Entscheidung fällt zu Gunsten Tansanias aus. Die kleine Familie geht zurück. Allerdings ist diese Rückkehr an einigen Stellen herausfordernd. Die beiden Mädchen sprechen zunächst nur Deutsch. Und in der Schule ist es auch durchaus üblich, dass die Kinder ganz nach Ermessen der Lehrkraft in vielen Schulen geschlagen werden. Eine schwierige Situation nicht nur für die beiden Mädchen. Auch Brighton Katabaro selbst leidet darunter, seinen Töchtern in diesem Schulsystem nicht beistehen zu können. Und auch sonst stellt er immer wieder fest, dass seine Zeit in Deutschland ihn verändert und geprägt hat – irgendwie ist er selbst in seinen Erwartungen und Handlungen ein wenig „deutscher“ geworden. Beispielsweise wenn er als Pastor Gottesdienst hält: „Meine Predigten waren anfangs gerade mal 20 Minuten lang – eben wie in Deutschland. In Tansania predigen einige Pfarrpersonen aber eher 40 Minuten bis eine Stunde. Das schaffe ich heute immer noch nicht. Inzwischen liege ich vielleicht so bei 30 Minuten.“

Der Pastor kann nicht einfach so eine Freundin haben

Anne und Brighton heiraten im Kreis ihrer Familie. © Foto: privat | Anne und Brighton heiraten im Kreis ihrer Familie.

Gottesdienste sind nach seiner Rückkehr im Jahr 2009 allerdings nicht seine Hauptaufgabe. Auf Wunsch seines Bischofs übernimmt Brighton Katabaro zunächst den Aufbau und die Koordination des Karagwe University College mit seinen unterschiedlichen Studiengängen. Und ab 2018 dann Aufbau und Leitung des landwirtschaftlichen KARUCO College. Doch in das Leben in der Pfarrei ist er als eine der Pfarrpersonen weiterhin eng eingebunden.

Am 2. November 2009, kurz nach seiner Rückkehr aus Deutschland lernt Brighton seine zukünftige zweite Frau Anne Juel Jensen kennen. Sie ist Dänin, Leiterin der Diakonieabteilung in der Karagwe-Diözese und die beiden sind sich sofort sympathisch. Da der Pastor aber als Identifikationsfigur und Vorbild in Tansania nicht einfach so eine Freundin haben kann, ist Brighton und Anne ziemlich schnell klar, dass sie einander heiraten möchten. Am 24. Juli 2010 – nur etwas über acht Monate nach ihrem Kennenlernen geben sie sich das Ja-Wort. „Wir haben schon diskutiert, ob wir noch etwas länger warten und uns besser kennenlernen, aber dann waren wir uns doch einig: Die Ehe ist kein Event. Sie ist ein Prozess. Du kannst nicht abwarten und hoffen, dass du lernst, wie Ehe geht. Du heiratest und lernst dabei.“

Herausforderungen und Unzufriedenheit treiben ihn an, Dinge besser zu machen

Im gleichen Monat ihrer Hochzeit, gehen die beiden noch einen weiteren großen gemeinsamen Schritt. Als Gegenentwurf und Lösungsansatz zu den Schulerfahrungen der beiden Töchter Katabaros gründen sie eine Grundschule (KATEMPRIS), in der die Kinder in einem freundlichen Klima angstfrei lernen und sich als Menschen geschätzt fühlen können. Seit 2014 nimmt die Schule Schüler*innen auf. Das Paar bekommt noch zwei weitere Kinder, den Sohn Mukiza und die Tochter Alinda. Katabaros Frau Anne beginnt, um noch mehr in der gemeinsamen Schule bewirken zu können, eine Fortbildung zur Lehrerin in Dänemark (digital). 2021 geht sie für Praktika nach Dänemark und das Paar entscheidet, dass dies für die jüngsten Kinder eine gute Möglichkeit ist, die Bildungsmöglichkeiten in ihrer zweiten Heimat kennenzulernen. Brighton bleibt mit den beiden älteren Töchtern in Tansania, die dort zur Schule gehen.

Die Grundschule KATEMPRIS wurde von Brighton und Anne Katabaro gegründet. © Foto: privat | Die Grundschule KATEMPRIS wurde von Brighton und Anne Katabaro gegründet.

Die Nähe zu seiner restlichen Familie wiederherstellen zu können, war für Katabaro auch ein Grund an die Missionsakademie zu kommen. Für ihn ist diese berufliche Chance auch in gewisser Weise ein Zeichen: „Die Stelle ist zu mir gekommen und ich denke, vielleicht hat Gott das gefügt, da er gesehen hat, dass es nicht gut ist, dass wir so lange voneinander getrennt sind.“ Jetzt sind die Katabaros zumindest schon einmal auf dem gleichen Kontinent. Die neue Stelle an der Missionsakademie ist auf drei bis sechs Jahre angelegt. Wie es danach weitergeht, wird sich für die Familie noch zeigen. Auch eine Rückkehr nach Tansania ist durchaus möglich. „Ja, in Tansania gibt es viele und andere Herausforderungen, aber wir haben dort schon so viel bewirkt. Und wir können noch so viel bewirken. Aber jetzt freue ich mich erstmal auf die Zeit hier.“ Für Brighton Katabaro ist klar, wo auch immer Gott ihn gerade hinstellt, möchte er Dinge zum Positiven wenden. Herausforderungen scheut er dabei nicht, oder wie er selbst es formuliert: „Herausforderungen und Unzufriedenheit sind eine Motivation für mich, Dinge besser zu machen“.

Tanja Stünckel


Die Missionsakademie – ein ökumenischer Begegnungsort

An der Missionsakademie werden Stipendiat*innen aus Asien, Afrika und Lateinamerika begleitet, die sich in einem theologischen Promotionsstudium an der Universität Hamburg befinden. Zudem ist die Missionsakademie ein Ort für internationale Konferenzen, ökumenische Tagungen und Seminare.

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