Festtage anderswo: Reformationstag in Tansania

Am Reformationstag erinnern Protestant*innen weltweit an den Beginn der Reformation durch die Veröffentlichung der 95 Thesen von Martin Luther. In einigen Bundesländern in Deutschland ist der 31. Oktober auch ein gesetzlicher Feiertag. Doch wie wird der Reformationstag und andere christliche Feiertage in Tansania gefeiert? Wir haben bei Brighton Katabaro, Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania und Studienleiter an der Missionsakademie in Hamburg, nachgefragt.

Im deutschen Erfurt erinnert eine Statue an Martin Luther und sein Wirken – auch in Tansania gehört der Reformator zum theologischen Erbe. © Foto: Wim van 't Einde/unsplash | Im deutschen Erfurt erinnert eine Statue an Martin Luther und sein Wirken – auch in Tansania gehört der Reformator zum theologischen Erbe.

In Tansania sind 43 Prozent der Menschen Christ*innen. Welche Rolle spielen christliche Feiertage in der allgemeinen, öffentlichen Wahrnehmung in Tansania?

Obwohl der tansanische Staat sich selbst als säkulares Land bezeichnet, hat Religion einen erheblichen Einfluss, wobei das Christentum und der Islam die vorherrschenden Glaubensrichtungen sind. Das Zusammenleben dieser religiösen Gemeinschaften ist von einem friedlichen und harmonischen Geist geprägt. Wichtige christliche Feiertage wie zwei Weihnachtstage, Karfreitag und Ostersonntag sowie Ostermontag sind als gesetzliche, staatliche Feiertage anerkannt. Die gleiche Anzahl islamischer Feiertage wird ebenfalls als gesetzliche Feiertage anerkannt. Diese staatlichen-christlichen Feiertage werden nicht nur von den Christ*innen, sondern auch von der gesamten Gemeinschaft verehrt. Sie ziehen eine große Anzahl von Gemeindemitgliedern zu den Gottesdiensten und werden mit Begeisterung begangen. Aufgrund der großen Zahl der Gottesdienstbesucher*innen sind viele Kirchengebäude nicht in der Lage, sie zu beherbergen. Daher bleiben viele während des Gottesdienstes außerhalb der Kirchengebäude. Die fröhliche Atmosphäre in der Kirche wird durch begeisterte Chöre verstärkt, die schöne und fröhliche Lieder singen und dabei tanzen.

Bemerkenswert erleben diese Feiertage oft eine erhebliche Anzahl von Kindern, die die Sakramente der Taufe oder Konfirmation erhalten. Im Weihnachtsgottesdienst 2022 hatte ich beispielsweise das Privileg, in einem einzigen Gottesdienst in meiner Heimatgemeinde in Kayanga in der Diözese Karagwe über 60 Kinder zu taufen. Solche Gottesdienste, verbunden mit lebhafter Musik und oft fröhlichen und motivierenden Predigten, verlängern gelegentlich die Dauer der Gottesdienste auf über drei Stunden. Darüber hinaus bringen die Gemeindemitglieder an diesen Feiertagen großzügig Gaben als Ausdruck ihrer Dankbarkeit gegenüber Gott.

Nach den Gottesdiensten laden einige christliche Familien Freund*innen und Nachbar*innen, auch muslimischen Glaubens, ein, um zusammen zu essen und zu feiern. Dies geht einher mit dem Austausch von Karten und Nachrichten, sogar zwischen Christ*innen und Muslim*innen, was eine schöne Tradition darstellt und in einem geteilten Gefühl der Freude und Festlichkeit gipfelt, das in der gesamten Gemeinschaft widerhallt.

Brighton Katabaro ist Studienleiter an der Missionsakademie in Hamburg mit Schwerpunkt Interkulturelle und theologische Zugänge zur Agrarökologie. © Foto: privat | Brighton Katabaro ist Studienleiter an der Missionsakademie in Hamburg mit Schwerpunkt Interkulturelle und theologische Zugänge zur Agrarökologie.

Mit über sechs Millionen Mitgliedern ist die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania (ELCT) die zweitgrößte lutherische Kirche der Welt. Der Reformationstag ist ja ein sehr lutherischer Feiertag. Wird der Reformationstag auf irgendeine Weise öffentlich gefeiert?

Der Reformationstag hat in der Tat eine tiefgreifende Bedeutung für die Lutheraner*innen, auch innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT), die als zweitgrößte lutherische Gemeinschaft weltweit gilt. Die ELCT bezeichnet den dem 31. Oktober am nächsten liegenden Sonntag als Reformationssonntag, einen Tag, der für besondere Beachtung vorgesehen ist. Er erregt jedoch keine umfangreiche öffentliche Aufmerksamkeit. Der 31. Oktober selbst wird nicht als staatlicher und gesetzlicher Feiertag anerkannt. Die Gedenkfeier bleibt vielmehr hauptsächlich eine interne Angelegenheit innerhalb der lutherischen Gemeinden. Der Tag bringt keine aufwendigen Vorbereitungen, keine besondere Ausschmückung, keine besonderen köstlichen Traditionen oder das Tragen neuer Kleidung mit sich, wie es an Weihnachten und Ostern der Fall ist. Seine Anerkennung bleibt fest in der lutherischen Gemeinschaft verwurzelt und dient größtenteils als Erinnerung an ihr theologisches Erbe.

Wie wird der Reformationstag in den christlichen Gemeinden gefeiert? Welche besonderen Gottesdienste, Rituale oder ähnliches gibt es?

Es gibt unterschiedliche Arten, wie der Reformationssonntag in den verschiedenen Gemeinden gefeiert wird. In einigen Gemeinden werden spezielle Gottesdienste gestaltet, die gewidmete Lieder und Predigten beinhalten, die die Essenz der Reformation beleuchten. Die Predigten gehen auf die historischen Grundlagen und grundlegenden Prinzipien der Reformation ein und vermitteln den Gemeindemitgliedern ein tieferes Verständnis ihres theologischen Erbes. Der Tag dient als Anlass zur Bestärkung der lutherischen Identität, insbesondere im Kontrast zum Katholizismus und den aufstrebenden pfingstlerischen charismatischen Kirchen. Auch wenn die Bedeutung des interkonfessionellen Lernens anerkannt wird, bietet der Reformationstag eine Plattform zur Vermittlung von Lehren, die die Besonderheiten des Luthertums betonen und die Rechtfertigungslehre bzw. Solas der Reformation hervorheben, und zwar Sola Scriptura (Allein die Schrift), Sola Gratia (Allein die Gnade Gottes), Sola Fide (Allein der Glaube) und Solus Christus (Allein Christus). Dies dient auch dazu, die Gemeindemitglieder gegen manchmal verführende Lehren zu stärken, wie zum Beispiel das Wohlstandsevangelium, das sich trotz seiner großen Abweichung von der lutherischen Lehre oft großer Beliebtheit erfreut.

Die Betonung des Reformationstages kann je nach Gemeinde variieren und bietet somit einen günstigen Moment, um seine Bedeutung zu verstärken und somit die unschätzbaren Lehren des Luthertums zu schützen und seine einzigartige Identität zu bewahren. Angesichts der Bedeutung der Reformation für die lutherische Kirche ist es meines Erachtens höchste Zeit für die ELCT, dem Reformationstag einen besonderen Stellenwert einzuräumen und ihn intensiver zu feiern.

Das Interview führte Tanja Stünckel.

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