Geist der Ökumene wecken

Keziah Kargbo ist die neu gewählte Präsidentin des Rates der Kirchen in Sierra Leone und die jüngste Person, die dieses Amt je innehatte. Sie will den Geist der Ökumene unter den Kirchen in Sierra Leone wecken und ökumenisches Lernen stärken.

Keziah Kargbo © Foto: privat | Keziah Kargbo

Sie sind vor Kurzem zur Präsidentin des Rates der Kirchen in Sierra Leone (CCSL) gewählt worden. Sind Sie die erste Frau in einem solchen Amt?

Nein, ich bin nicht die einzige Frau, die eine solche Position in Afrika einnimmt. Es gab schon andere auf dem Kontinent vor mir, in Sambia, Namibia, Angola, Mosambik. Und einige von ihnen sind immer noch in diesem Amt tätig. Meine Vorgängerin, Ebun James Dekam, war die erste Frau, die in dieses Amt berufen wurde. Ich bin die jüngste Person, die bisher in Afrika ernannt wurde. Deshalb erinnere ich mich oft daran, was der heilige Paulus an Timotheus schrieb: „Lass dich von niemandem herabsetzen, weil du jung bist…“ (1. Timotheus 4,12).

Sie sind Absolventin der Summer School der Vereinten Evangelischen Mission (VEM). Was haben Sie von dort für Ihre heutige Aufgabe mitnehmen können?

Es war eine wunderbare Erfahrung für mich, an der VEM Summer School im Juli 2019 teilzunehmen. Die unterrichteten Themen waren Mediation, Konfliktlösung und Schutz der Menschenrechte. Die wichtigsten Konzepte widmeten sich konstruktivem Konfliktmanagement mit besonderem Fokus auf Mediation und Ansätze zum Schutz der Menschenrechte. Das Training hat mir eine gute Möglichkeit geboten, mich an Konfliktlösungsprozessen in meinem Land zu beteiligen. Die Anwendung der praktischen Methoden, die ich in Deutschland gelernt habe, hat hier in Sierra Leone die Relevanz des Rates der Kirchen bei der Vermittlung von kritischen Themen auf höchster Regierungsebene erhöht. Vor allem während der Wahlzeit, wenn wir viel Gewalt zwischen und unter den politischen Parteien erleben, aber auch bei der Lösung und Vermittlung von Konflikten in Gemeinden und Familien. Eine der Auswirkungen der Ausbildung auf meine heutige Arbeit ist, dass ich meinen Gesprächspartner*innen intensiver zuhöre und versuche, die Rechte aller unabhängig von ihrer Meinung, Kultur, ihrem sozialen Status, ihrem Geschlecht oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu schützen.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Kirchen in Sierra Leone?

Die Kirchen in Sierra Leone stehen vor vielen Herausforderungen, an erster Stelle steht der Mangel an Ressourcen für ein effektives Engagement in ihren Programmen, um den Auftrag der Kirche zu erfüllen. Es besteht auch die dringende Notwendigkeit, die Kapazitäten der Kirchenleitung, der Lai*innen und der Ordinierten, auszubauen. Wir brauchen Hilfe bei der Einrichtung eines Stipendienprogramms, um den Aufbau von Kapazitäten in unseren Mitgliedskirchen zu unterstützen. Auch die ökumenische Weiterbildung hat nach der Begeisterung in den 1970er Jahren einen Rückschlag erlitten. Wir befassen uns auch mit Fragen der Umwelt und des Klimawandels, Wasser- und Ernährungssicherheit, hochwertige Bildung, Gerechtigkeit, Frieden und sozialem Zusammenhalt, geschlechtsspezifischer Gewalt. Wir nehmen unsere Verantwortung als „moralischer Garant für den Frieden unserer Nation“ sehr ernst und sind uns bewusst, dass Frieden mehr ist als die Abwesenheit von Krieg und Konflikt.

Was ist Ihre Hoffnung für die ökumenischen Projekte und Kirchen in Sierra Leone und Afrika im Allgemeinen?

Die Kirche ist eine globale Einheit. Ihre Mission ist für die Welt. In unserem vereinten Bemühen, dem Missionsbefehl treu zu sein, stehen wir in Solidarität und Partnerschaft miteinander. In dieser Partnerschaft sind wir zu einem Leben aufgerufen, in dem wir unsere Gaben an materiellen, geistlichen und menschlichen Ressourcen teilen, so wie der Herr uns ausgestattet hat. Wir beteiligen uns an ökumenischem Engagement auf globaler, kontinentaler und nationaler Ebene. Das ist keine leichte Aufgabe, vor allem, wenn man eigentlich auf Reisen gehen müsste, um andere zu besuchen; doch das ist teuer und in Corona-Zeiten nicht möglich. Wir in Sierra Leone leisten weiterhin unseren Beitrag auf allen Ebenen durch unsere Teilnahme an Diskussionen, die sich mit Fragen befassen, mit denen wir konfrontiert sind. Wir veranstalten Workshops und Lehrveranstaltungen in der Ökumene, aber wir glauben, dass wirkliches ökumenisches Lernen erst in unserem gemeinsamen Engagement stattfindet. Es besteht die Notwendigkeit, den Geist der Ökumene unter den Kirchen in Sierra Leone zu wecken.

Das Interview führte Matt Barlow.

Zur Person:

Keziah Kargbo ist ein 34-jähriges Laienmitglied der United Methodist Church. Sie ist ausgebildete Fachkraft für Entwicklungskommunikation im Bereich der Sozialarbeit. Sie konzentrierte sich auf Kulturwissenschaften am Fourah Bay College, Universität von Sierra Leone. Anschließend erwarb sie einen Master of Arts in Development Communication an der Daystar University in Kenia. Sie hat 2011 ein Zertifikat in Wahlverwaltung vom Institute of Electoral Administration and Civic Education in Sierra Leone erhalten. Vor Kurzem wurde sie zur Präsidentin des Rates der Kirchen in Sierra Leone (CCSL) gewählt.

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