
Theologische Ausbildung
Die EMW unterstützt und begleitet im Auftrag ihrer Mitglieder ökumenisch-theologische Aus- und Fortbildung in Partnerkirchen weltweit.
Mehr ...Ohne Stundenplan, Lehrplan und Bildungskonzept kommt „Globales Lernen in ökumenischer Perspektive – GLEP“ aus, denn Globalität muss nicht vermittelt, sondern praktiziert werden, findet Angelika Veddeler, Vorstandsmitglied der Vereinten Evangelischen Mission.
© Foto: Tim Mossholder/unsplash
Am Anfang stand ein Missverständnis. Alles war perfekt geplant: die Reise zu den Partner*innen nach Südafrika und auch der Workshop zum Thema „Versöhnung“. „Wir gingen davon aus, dass in einem Land, aus dem so viel über politischen und sozialen Unfrieden berichtet wurde, den Christ*innen dieses Thema am Herzen liegen müsse“, erinnert sich Angelika Veddeler, Mitglied des Vorstands der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) und Leiterin der Abteilung Deutschland. Doch dann sagten die südafrikanischen Teilnehmenden aus der Partnerschaftsarbeit „Nein!“, das sei überhaupt nicht ihre größte Sorge. Man wolle mit Gästen aus Deutschland über „Gerechtigkeit“ sprechen. Weltweite Gerechtigkeit, nämlich. „Und da wurde uns klar, dass wir von ‚Globalem Lernen‘ reden, es aber nicht leben“, betont Veddeler.
Und seither habe man sich mit neuem Elan darüber Gedanken gemacht, wie theoretisch und praktisch „globales Lernen“ aussehen könne. Und das fange beim Namen an: „In einer ‚Gemeinschaft von Kirchen‘ wie in der VEM, vollzieht sich auch das Lernen, gemeinsam, also ökumenisch.“ Deshalb spreche man vom „globalen Lernen in ökumenischer Perspektive – GLEP“.
© Foto: Kepper/VEM | Angelika Veddeler
Allerdings weist die Leiterin der Deutschlandabteilung daraufhin, dass keineswegs alle Welt „global“ schick fände: Was für die einen Weltoffenheit und Toleranz suggeriere, werten andere als Ausdruck von Ausbeutung und Imperialismus, auch beim Thema Lernen. Globales Lernen, das dürfe nicht zu einer „Mc Donaldisierung“ von Bildung führen, also zur Ausbreitung eines uniformen Bildungskonzept über die ganze Welt, das die vorhandenen Werte, kulturellen Prägungen und Bildungscharakteristika unterschiedlicher Regionen missachtet.
Ausgangspunkt sei vielmehr, die Internationalität und Vielfalt, die das eigene Umfeld der Lernenden ja schon längst prägt, auch in Bildungsprogrammen umzusetzen. Also nicht über- oder voneinander zu lernen, sondern gemeinsam und miteinander.
Nach 25 Jahren der Internationalisierung hat die VEM viel Erfahrung im „gemeinsam unterwegs Sein“. Dass „schnell mal“ GLEP umgesetzt werden könne, habe niemand geglaubt. Denn es ist nicht nur die Bildungsabteilung, oder das, was mit Unterricht im weitesten gemeint ist, betroffen, sondern GLEP sei mittlerweile eine Grundhaltung in der VEM. Auch gehe es nicht um Lehrpläne und Methoden, denn GLEP sei kein Bildungskonzept wie man es aus Schulen, Ministerien und Universitäten kenne.
„Für uns ist es wichtig, dass Globales Lernen nicht nur darauf schaut, wie sich Weltgegenden unterscheiden und wie die Lebensbedingungen in verschiedenen Regionen zusammenhängen und einander beeinflussen. Wir fördern vor allem themenzentrierte Einheiten, wo Menschen aus unseren Mitgliedskirchen möglichst aus allen Regionen beteiligt sind“, beschreibt Angelika Veddeler, die früher Lehrerin gewesen ist, die Grundlagen von GLEP. Je diverser die Gremien und Arbeitsgruppen in allen Bereichen zusammengesetzt seien, desto „größer“ sei der Erfolg der Arbeit, vorausgesetzt, die Zusammenarbeit fand in einer vertrauensvollen Umgebung und mit der nötigen Zeit für den Prozess statt. Die Themen solchen Globalen Lernens sind nicht nur die klassischen „Ökumene“- oder „Eine Welt“-Themen, sondern die ganz normalen Fortbildungsanliegen, die Kirchen haben.
Oberstes Gebot dafür sei ein Umfeld ohne Gewalt und Unterdrückung. Und das sei manchmal schwierig: Auch weil nicht alles verhandelbar sei. „So wie im Matheunterricht eins plus eins immer und überall zwei ergibt, gibt es auch andere ‚Wahrheiten‘ jenseits der Naturwissenschaften.“ In der VEM sind diese in der gemeinsamen Verfassung vor 25 Jahren festgelegt worden. Mission wird ganzheitlich verstanden. Alle Menschen, nicht nur einige, sind zu Umkehr und neuem Leben gerufen. Für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung treten die Kirchen ein. Was aber ist, wenn über konkrete Fragen doch Unstimmigkeiten entstehen? Angelika Veddeler atmet hörbar ein: „Ja“, sagt sie gedehnt, „solche Momente gibt es auch im Umfeld der VEM.“
Ein Vorteil dauerhafter Verbundenheit sei der Faktor Zeit: Man sei nicht gezwungen, zuerst die umstrittenen Themen anzupacken, „sondern wir merken immer wieder, dass wir uns noch nicht einmal mit den ‚leichten‘ Themen beschäftigt haben.“ Nun klingt Veddeler wieder viel entspannter. Auch sei man nicht gezwungen, Schwieriges öffentlich zu verhandeln. „Alle wollen, dass keine Person und keine Kirche Schaden nimmt, wenn ‚unbequeme‘ Tatsachen auf den Tisch kommen“, betont sie. Im geschützten Raum könne ein „schwieriges“ Thema so abgeschichtet werden, dass einzelne Facetten bearbeitbar werden. „Am Ende gibt es Lösungen für die verschiedenen Aspekte, und das Ganze ist dann gar nicht mehr ‚schwierig‘“, erklärt sie optimistisch. Der internationale Blickwinkel könne allen helfen, gemeinsam Lösungsansätze zu finden, vorausgesetzt, alle sind bereit, genau zuzuhören. Dabei schwört sie auf „Ökumene im Alltag“, in der die Verschiedenheit „normal“ ist und der Umgang damit in der „Ökumene der Gemeinschaft“ seit 25 Jahren – fast einer Generation – eingeübt wurde.
Bei all den positiven Erfahrungen innerhalb der VEM-Gemeinschaft laute das VEM-Prinzip trotzdem nicht „alles oder nichts“: sie könne sich unter Umständen vorstellen, dass es unüberbrückbare Differenzen geben könnte. Vorsichtig gibt Angelika Veddeler zu, dass immerhin die Möglichkeit bestehe, dass es innerhalb der Gemeinschaft, dann, wenn Mediation im Konfliktfall nicht ausreiche, unter Umständen die Trennung von einem Mitglied erwogen werden könne.
„In vielen Bereichen der Ökumene meinen wir, gute Ratschläge wären hilfreich.“ Als VEM-Vorstandsmitglied kennt sie alle: man muss doch nur …, man sollte doch …, es ist doch ganz einfach, wenn … Solche Ratschläge können aus allen Himmelsrichtungen kommen. Doch GLEP geht einen anderen Weg, sagt Angelika Veddeler und nennt ein Beispiel: Eine Kirche aus Südafrika wollte ihre Pfarrer und Pfarrerinnen kompetenter machen für den Aufbau interkultureller Gemeinden. In Gesprächen mit anderen VEM-Mitgliedskirchen stellte sich schnell heraus, dass dieses Thema auch bei anderen gerade ganz oben auf lag. Also wurde eine Gruppe zusammengestellt, die ein Curriculum ausarbeitete. Dabei waren ein Kirchenleiter aus Sri Lanka, eine Presbyterin aus Deutschland, ein Studienleiter aus Tansania, eine Referentin aus Deutschland, ein Pfarrer und eine Pfarrerin aus Südafrika. In einem langen Prozess, der sechs Monate dauerte, wurden gemeinsam die Ziele und Haupt-Themen der Fortbildung festgelegt. Nun wird eine international zusammengesetzte Gruppe kirchlicher Mitarbeitender zusammengestellt, die den ersten Kurs durchlaufen werden. Lehrende und Ressource-Personen kommen aus verschiedenen Teilen der Welt, auch das Leitungsteam ist international zusammengesetzt. Hätte nur eine Kirche das Curriculum zusammengestellt, wäre alles viel schneller gegangen. Aber so ist es ein wirklich internationales Programm. Globales Lernen als gemeinsames Lernen.
Angelika Veddeler wünscht sich, dass das GLEP-Konzept über die VEM-Bezüge hinausstrahlt. „Wir sehen ja, dass diese Art, global gemeinsam zu lernen, Zeit braucht. Die ist in formalen Lernumgebungen wie z.B. Schulen nicht immer da. Aber GLEP ist ein Ansatz, der viele Möglichkeiten bietet.“ Und zwar nicht nur für die gebildeten und gut vernetzten Menschen in allen Weltregionen, die gewohnt sind, auf dem internationalen Parkett kluge Reden in vielen Sprachen zu halten. GLEP möchte Menschen mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen zusammenhalten. Eben nicht nur dann, wenn es die klassischen ökumenischen Themen, die „Probleme“, „Herausforderungen“ und „Krisen“ zu bewältigen gebe, sondern im Alltag von Familien, Wohngemeinschaften, Gemeinden, Kirchen und in der großen internationalen VEM, in der „es immer noch Potential gibt, enger zusammenzuwachsen.“
Wenn Angelika Veddeler auf Zweifler*innen trifft, die die Vorteile des GLEP-Ansatzes (noch) nicht erkennen, dann erklärt sie, dass selbst Reaktionen wie „so etwas klappt bei uns nie“, oder „die kennen unsere Lage gar nicht“ zu etwas Gutem führen können. „Die gemeinsame Suche bringt oft Unerwartetes zu Tage. Das kann befremdlich sein, aber eröffnet neue Zugänge. Der ‚das-hab-ich-ja-noch-nie-gehört‘-Überraschungsmoment löst neue Gedankengänge aus, auch dann, wenn angeblich schon alles gesagt ist. Durch das gemeinsame Lernen werden Stereotypen durchleuchtet, Vor-Urteile benannt und eine ‚flexible Neugierde‘ entwickelt, um dank einer frischen Draufsicht auf bekannte Probleme kreative Lösungen in der Lerngemeinschaft mit möglichst vielen unterschiedlichen Menschen zu entwickeln.“
Veddeler und ihre Kolleg*innen meinen, dass das „globale Lernen als ökumenische Praxis“ eine Neudefinition von Mission bewirken kann, allerdings ganz anders, als sich das manche im Norden vorstellten. „Viele Mitgliedskirchen beobachten, dass in Europa ungern von „Mission“ gesprochen wird. Aber sie gestatten dem Norden nicht mehr, die Definitionshoheit über „Mission“ zu haben. Sie schlagen vor, stattdessen nicht den oft beliebteren Begriff ‚Dialog‘ zu nehmen, sondern auch in die ‚Diapraxis‘ zu treten, also durch das gemeinsame Handeln zu zeigen, was wir lieben, statt nur davon zu reden.“
„Dieses und viele anderen Themen, die in den letzten Jahrzehnten in den Missionswerken und Kirchen diskutiert worden sind, manchmal sogar zerredet wurden, können mit dem GLEP-Konzept gemeinsam aufgegriffen werden. Angesichts der Bedürfnisse nach einer Kommunikation, die wirklich auf Augenhöhe geschieht – weil nämlich die Themen gemeinsam beschlossen werden, ist GLEP zukunftsweisend für die VEM auch nach dem 25. Geburtstag,“ erklärt Angelika Veddeler. (frdu)
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