Getrieben von der Macht der Liebe

Der erste Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen aus dem globalen Süden, Philip Potter, wäre am 19. August 100 Jahre geworden. Mit Potter verbunden ist unter anderem der Abschied von einer eurozentrischen Sendungsmission zugunsten einer interkulturellen Ökumene. An sein Wirken, das bis heute die ökumenische Bewegung prägt, erinnerte ein Symposium der Missionsakademie in Hamburg.

Dr. Philip Potter bei einer Kutschfahrt durch Eutzsch, Kreis Wittenberg, im Juni 1973. © Foto: Bundesarchiv, Bild 183-M0602-0015  | Dr. Philip Potter bei einer Kutschfahrt durch Eutzsch, Kreis Wittenberg, im Juni 1973.

Philip Potter wurde am 19. August 1921 auf Dominica in der Karibik geboren. Sein ganzes Leben war der frühere Generalsekretär des Weltrates der Kirchen mit der ökumenischen Bewegung verbunden. Manche meinen, die Musikalität der Karibik prägte seinen Führungsstil, denn er war ein Meister darin, Prozesse zu initiieren. So war er verantwortlich für die wohl radikalste Missionskonferenz in Bangkok 1972/73, in deren Anschluss ein Moratorium der Mission gefordert wurde. Von den Missionen zur Mission hat Philip Potter diesen Paradigmenwechsel überschrieben, für den er sich als erster Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) aus dem globalen Süden einsetzte. Mit Potter verbunden ist der Abschied von einer eurozentrischen Sendungsmission zugunsten einer interkulturellen Ökumene. Ziel der Mission ist dabei nicht die Kirche, sondern die Welt.

Ein Symposium der Missionsakademie in Hamburg erinnerte anlässlich seines 100. Geburtstags an das Wirken von Philip Potter. © Foto: Missionsakademie | Ein Symposium der Missionsakademie in Hamburg erinnerte anlässlich seines 100. Geburtstags an das Wirken von Philip Potter.

Seine große Wirkung erklärt sich daraus, dass Potter ein widersprüchlich gewordenes Christentums, das durch Apartheid, Rassismus und Kalten Krieg in Misskredit geraten war, auf diese Weise neue Glaubwürdigkeit vermitteln konnte. Ökumene bestand für ihn nicht aus gemeinsamen Erklärungen, sondern aus konkreten Aktionen etwa im Anti-Rassismus-Programm. Es ging ihm um den Zusammenhang gesellschaftlicher und persönlicher Befreiung. Konrad Raiser erinnerte in dem von der Missionsakademie anlässlich des 100. Geburtstages veranstalten Symposium in der St. Trinitatiskirche Hamburg-Altona daran, dass Potters Triebfeder in der Einsicht lag, dass er statt der Liebe zur Macht sich der Macht der Liebe verpflichtet wusste. Potter war überzeugt: „Gegen die Liebe zur Macht, wie griechische und römische Imperien sie ausüben, stellt sich die Macht der Liebe, so wie sie in Gottes geschichtlichem Handeln durch das Volk Israel und unüberbietbar in Jesus Christus offenbar geworden ist.“ Auf diese in Christus verwirklichten Liebe Gottes gilt es auch heute als Kirchen überzeugende Antworten für konkrete Probleme der Welt zu finden.

Potter war skeptisch gegenüber interkonfessionellen Konsenspapieren und insistierte auf der Notwendigkeit einer interkulturellen Verständigung, die nicht ohne Gerechtigkeitsfragen gesucht werden kann. Unter seiner Leitung initiierte daher der ÖRK 1983 in Vancouver einen konziliaren Prozess gegenseitiger Verantwortung für „Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung,“ der bis heute seine Aktualität nicht eingebüßt hat. Allerdings hat seitdem die innere Pluralität des weltweiten Christentums durch die Charismatische Bewegung ebenso zugenommen wie Konflikte innerhalb der Länder des Südens durch autoritäre Regime. Auch die interkulturelle Öffnung der Kirchen bei uns ist heute drängender geworden als noch zu Potters Zeiten.

Dafür könnte eine besondere Gabe Potters, an die erinnert wurde, eine wichtige Voraussetzung bleiben. Er besaß die Gabe zur Freundschaft. So klar und kämpferisch er in der Sache war, so konziliant blieb er als Person. Sichtbar an den zahlreichen Freunden, die sich zu dem Symposium an seinem 100sten Geburtstag versammelten und weiterhin für ein weltzugewandtes Verständnis von Ökumene eintreten. Was lässt sich von ihm lernen? Prof. Fernando Enns, unterstricht im Blick auf die kommende ÖRK-Vollversammlung in Karlsruhe: „Zuhören – Geben – Verzeihen. Wenn dies die Haltung der gastgebenden Kirchen in Deutschland sein könnte, werden wir so viele Geschenke von all den Schwestern und Brüdern erhalten, die nach Deutschland kommen werden. Wenn wir stattdessen denken, dass wir – wieder einmal – mit unserem weißen Privileg, unserer kolonialen Denkweise und unserer wirtschaftlichen Stärke den Pilgern predigen und sie lehren sollten, könnten wir am Ende enttäuscht werden.“

Anton Knuth ist Studienleiter an der Missionsakademie der Universität Hamburg.

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