
Theologische Ausbildung
Die EMW unterstützt und begleitet im Auftrag ihrer Mitglieder ökumenisch-theologische Aus- und Fortbildung in Partnerkirchen weltweit.
Mehr ...Menschen unterschiedlichen Glaubens und Herkunft lernen gemeinsam, wie sie als Individuen die eigenen negativen Gefühle gegenüber den jeweils „anderen“ besiegen. Vor allem junge Menschen nehmen die Angebote des „Rossing Zentrum für Bildung und Dialog“ in Israel an. Auf ihnen ruht die Hoffnung, dass die Region befriedet werden kann.
© Foto: Rossing Center | Essen verbindet – Das weiß man auch im „Rossing Zentrum für Bildung und Dialog“. Neben Seminaren ergänzen informelle Treffen und das Erleben von Alltag die Bildungs- und Versöhnungsarbeit des Zentrums.
„Eigentlich ist es nicht der Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser*innen, sondern es finden hier zwei Konflikte statt“, erklärt John Munayer, Mitarbeiter im „Rossing-Zentrum für Bildung und Dialog“, das die EMW seit vielen Jahren unterstützt. „Da gibt es einerseits den politischen und andererseits den inneren Konflikt, den wir alle immer mit uns herumtragen.“ Nur, wenn dieses Dilemma benannt wird und die Aspekte getrennt bearbeitet werden, könne es Frieden in der Region geben.
Und weil das Zentrum in Jerusalem keine politische Institution sei, sondern sich als religiöse Organisation verstehe, seien sie angetreten, sich des „inneren Konflikts“ anzunehmen. Munayer, Mitarbeiter des Programms „Den Hass heilen“, beschreibt die Situation im Heiligen Land ohne Schnörkel: „Wir driften weiter auseinander, die israelische Seite wird rassistischer, die arabisch-palästinensische fühlt sich von der eignen Führung im Stich gelassen. Gewalt scheint beiden Seiten als einzige Möglichkeit, um für sich selbst die Lage zu klären.“ Beide Seiten seien nach Jahrzehnten des Konflikts „gefühlsmäßig und spirituell traumatisiert. Hass auf die ‚anderen‘ scheint für uns völlig normal zu sein.“
Anders als in herkömmlichen Anti-Gewalt-Programmen, bei denen es darum geht, das Gegenüber zu verstehen, wendet sich die Methode, auf der das Hass-Heilen-Programm beruht, dem Inneren zu: Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer befragt sich selbst, wo der Hass, den sie oder er auf „die anderen“ hat, herrührt. „Jede Seite fühlt sich der anderen grundsätzlich überlegen“, beschreibt Munayer, der selbst Christ ist und aus Jerusalem stammt, die Gefühlslage. „Unsere Haltung und unser Handeln werden dadurch gerechtfertigt, dass wir behaupten, uns jeweils ‚nur zu verteidigen‘.“ Jede Person müsse sich also zuerst den eigenen Gefühlen stellen, deren Destruktivität erkennen und dann den Hass überwinden.“ Und weil diese Gefühle auch mit Religion und dem eigenen Glauben zusammenhängen, falle der spirituellen Heilung eine grundlegende Rolle zu. Wichtig sowohl in der Methodik, als auch in den verschiedenen Veranstaltungen, sei es, die eingeschliffenen Formulierungen und Denkstrukturen, die dem Hass und der Gewaltbereitschaft zugrunde liegen, aufzubrechen. Dies müsse in dem je eigenen Bezugsrahmen, wie eben auch gemeinsam in möglichst heterogenen Gruppen, vollzogen werden, so Munayer.
© Foto: Rossing Center | John Munayer ist Programmkoordinator und Kommunikationschef beim Rossing Center in Jerusalem.
Seit einigen Jahren hat das interreligiöse „Rossing Center“, das seit 16 Jahren Bildungs- und Dialog-Programme in der Region anbietet, zusammen mit dem jüdischen Hebrew Union College und dem Holy Land Trust in Bethlehem diese auf Seelsorge basierende Methode erarbeitet, damit Israeli und Palästinenser*innen – Menschen jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubens – lernen, zunächst den Teufelskreis des Hasses in sich selbst und dann um sich herum zu durchbrechen.
„Gemeinsam“ bedeutet, dass Männer und Frauen aus unterschiedlichen Lebensbezügen, unterschiedlicher Herkunft und Glaubens gemeinsam etwas „tun“. Natürlich gebe es organisierte Seminarteile, wie man sie aus der Bildungsarbeit kenne. „Aber in den Gruppen, egal, ob sie sich als ‚Programmarbeit‘ oder als eher informelle Treffen verstehen, begegnet man sich ‚normal‘, man kocht und isst zusammen, besucht sich gegenseitig und spricht über Alltagsdinge.“
Neben Studierenden verschiedener Fachrichtungen wenden sich die Programme an Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen. „Den Methodenansatz, den wir hier im ‚Rossing Center‘ anwenden, übernehmen dann die Absolvent*innen für ihre Arbeit in Jugendhäusern, Seminaren und Schulklassen.“ So erreiche man Kinder und Jugendliche, denen sich damit eine Möglichkeit auftue, gar nicht erst in die Hass-Spirale zu rutschen, berichtet Munayer, der neben seiner Tätigkeit im „Den Hass heilen“-Programm und als Kommunikationschef des Zentrums gerade an seiner zweiten Diplomarbeit an der Religionswissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität Amsterdam schreibt.
Gründer des „Zentrums für Bildung und Dialog“ war Professor Daniel Rossing, der u.a. Direktor der für das Christentum zuständigen Abteilung im israelischen Religionsministeriums war und sich in unterschiedlichen Positionen im christlich-jüdischen-muslimischen Dialog engagierte. Sein Engagement für Verständigung und Frieden inspirierte auch andere Menschen. Und er fand Befürworter*innen und Mitstreiter*innen in konfessionellen Schulen, in Kommunen und religiösen Einrichtungen, in Behörden und Universitäten, die seine Ideen der friedlichen Koexistenz im Heiligen Land unterstützen. Wie z.B. die aus Bulgarien stammende jüdische Familie Eshkenazi, der man nach ihrer Ankunft in Israel ein Haus in Ramleh zugewiesen hatte. Die dort zu dem Zeitpunkt lebende palästinensische Familie Al Khayri war vertrieben worden. Als 1967 drei Männer aus der Al-Khayri-Familie anklopften und baten, ihr ehemaliges Heim sehen zu dürfen, öffnete Dalia Eshkenazi-Landau nur zögerlich die Tür, denn ihr erster Gedanke, so berichtete sie später, sei „das sind Feinde“ gewesen. Sie lernte die ehemaligen Bewohner*innen kennen und trotz der Situation um sie herum – der Sechstagekrieg war gerade zu Ende gegangen – freundeten sich die beiden Familien an. In dem Haus in Ramleh trafen sich jüdische und muslimische Menschen, lernten sich kennen und verstehen. Dann übergab Dalia Eshkenazi-Landau das Haus dem „Rossing Center“, das es in ein „Offenes Haus“ umwandelte, wo arabische Kinder gefördert werden und Jugendliche und Erwachsene unterschiedlicher Herkunft lernen, friedliche Formen der Interaktion zu entwickeln.
Während sich Frauen unterschiedlichen Glaubens im eher informellen Rahmen z.B. zum Fastenbrechen während des Ramadans in einem der Rossing-Center-Projekte treffen, so haben die gegenseitigen Besuche, die offiziell organisiert werden, einen anderen Stellenwert, berichtet John Munayer. „Das ‚Rossing Center‘ übernimmt die Federführung auf offizieller Ebene, und initiiert gemeinsame Besuche in Synagogen, Kirchen und Moscheen.“ Seit 2000 Jahren lebten die Menschen in der relativ kleinen Region, aber es sei nicht üblich gewesen, die religiösen Orte der „anderen“ zu besuchen. Wenn also jetzt Schulkinder sehen und erfahren, was an den religiösen Orten anderer vor sich geht und weshalb, so eröffne dies Möglichkeiten der Verständigung, die zu mehr Toleranz führen. „Wir haben erlebt, dass Kinder ihren staunenden Eltern, die teilweise gar nicht begeistert davon waren, von diesen Besuchen bei den ‚anderen‘ erzählt haben. Und diese mussten zugeben, letztlich nichts über deren Glauben zu wissen.“
Doch nicht nur diejenigen, die sich auf den Weg machen sollten, haben eine mentale Hürde zu bezwingen. „Manche der Gemeindeverantwortlichen taten sich sehr schwer, eine Einladung auszusprechen“, erinnert sich der Programmverantwortliche. Das zeige eben, wie stark das Misstrauen ausgeprägt sei, auch wenn sich Gäste und Gastgeber*innen eigentlich als Nachbarn tolerieren. Diese Besuche dienen dem Kennenlernen dessen, was den Menschen in der Region am Herzen liege: ihr Glaube, betont Munayer. Zwar sei die Religion an den Konflikten im Nahen Osten Teil des Problems, aber in ihr liege auch die Chance zur Versöhnung. Sowohl die Gemeindeleiter*innen in Kirchen, Synagogen und Moscheen müssen sich auf die Methodik der Heilungsprozesse einlassen, als auch die Gemeindeglieder selbst. Denn nur so könne eine friedliche Koexistenz geschaffen werden. (frdu)
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