Keep calm and ora et labora

Zehn Jahre hat Michael Biehl die missionstheologische Grundsatzarbeit der (früher des) EMW geprägt. Nun verabschiedet er sich in den wohlverdienten Ruhestand. Anlass für einen Blick zurück auf eine spannende Lebens- und Berufsbiografie.

Bevor er zur EMW kam war Michael Biehl Studienleiter der Missionsakademie. © Foto: privat | Bevor er zur EMW kam war Michael Biehl Studienleiter der Missionsakademie.

Große Papierstapel, erhaltene Gastgeschenke und Fachliteratur türmten sich bis vor Kurzem im Eckbüro im ersten Stock der Evangelischen Mission Weltweit (EMW) in Hamburg. Man spürte sofort, hier arbeitet jemand, der viel denkt, liest, schreibt und reist. Doch die Stapel sind verschwunden. Denn der langjährige Theologische Referent der EMW, der in diesem Büro arbeitete, hat sich in den Ruhestand verabschiedet: Michael Biehl. Zehn Jahre war er bei der EMW, hat Umstellungen und Wandel mitgetragen, sich verändert und weitergemacht. Immer dabei: Kaffee. Für Biehl Energiebooster und Arbeitselixir, den er passenderweise bevorzugt aus einem Becher mit der Aufschrift „Keep Calm and Ora et labora“ trinkt – also „ruhig bleiben und beten und arbeiten“. Diese Melange aus Lebensweisheit von Queen Elisabeth II und dem Grundsatz des Benediktinerordens könnte, kaum treffender Michael Biehls Arbeitseinstellung und vielleicht sogar sein Wesen beschreiben. „Einen klugen, besonnenen, fleißigen Arbeiter im Weinberg des Herrn“ hat ihn Bischöfin Kirsten Fehrs in seinem Entpflichtungsgottesdienst genannt. Wenn er nun die EMW verlässt, ist das der Abschluss einer bewegten Arbeitsbiographie, deren Stationen nicht nur ineinanderzugreifen, sondern auch aufeinander aufzubauen scheinen.

Eine wohlgeformte Geschichte?

Michael Biehl war zehn Jahre Theologischer Referent der/des EMW. © Foto: EMW | Michael Biehl war zehn Jahre Theologischer Referent der/des EMW.

„Es gibt ja diesen Begriff der ‚wohlgeformten Geschichte‘ und rückblickend sieht es wirklich wie eine wohlgeformte Geschichte aus. Aber ganz so klar war das anfangs gar nicht“, erklärt Biehl, während seine graugrünen Augen schelmisch blitzen. Denn ganz ursprünglich wollte er einmal Lehrer für Englisch und Französisch werden. Als es aber nicht mit einem Studienfach in beiden Fächern klappt, studiert er zunächst Volkswirtschaft mit dem Ziel, Übersetzer zu werden. Doch schon während seines ersten Semesters passiert das, was sein Leben nachhaltig verändern wird. Er wird aktiv in der Studierendengemeinde der Uni Kiel und ist beeindruckt von dem, was dort die Basisgruppe Theologie macht. „Ich dachte mir, wenn das Theologie ist, dann will ich das auch.“ Er leistet Zivildienst und beginnt anschließend mit Theologie – und die rückblickend wohlgeformte Geschichte beginnt.

Sein Theologie-Studium in Kiel gefällt Michael Biehl zunächst richtig gut. Für ihn steht außer Frage, dass er eine akademische Laufbahn einschlagen und Professor werden will. Das Auslandsstudium in Paris jedoch, öffnet seinen Blick und vor allem sein Herz für eine Theologie, die sich auch global und ökumenisch in Beziehung zu weltweiten Kontexten und anderen unterschiedlichen theologischen Ansätzen setzt. Zurück in Kiel hadert er mit der Enge und der Provinzialität und geht daraufhin für einige Zeit mit einem Stipendium in die USA. Seine entdeckte Leidenschaft für die Missionstheologie begleitet ihn. Auch seine Doktorarbeit schreibt er zu diesem Thema. Doch als es dann tatsächlich daran geht, zu habilitieren, um Professor zu werden, merkt Michael Biehl schließlich, dass NUR Zuhause zu sitzen, zu lesen und zu schreiben und nie zu wissen ob das, was man da schreibt, irgendjemanden interessiert, nicht das Richtige für ihn ist. Stattdessen geht er, für viele überraschend, ins Vikariat und – wird Gemeindepfarrer.

Gerne beides: theologisch-akademisch und praktisch

Die Pfarrstelle in einer Gemeinde in Lübeck ist für ihn nur eine halbe, denn er und seine Frau müssen sich eine Stelle teilen. Es sind die 1990er Jahre. Um ihre Personalfülle zu managen, machen manche Kirchen das so. Während seine Frau das Frauenwerk im Kirchenkreis leitet, gestaltet Michael Biehl Gemeindeleben. Hier findet er das, was ihm bei der Professur gefehlt hätte: Zwischenmenschliche Interaktion. Er ist nah bei den Menschen, feiert Gottesdienst und führt Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Beerdigungen durch. Organisiert Kinderbibelwochen, eine Stadtteilinitiative und Arbeit mit Geflüchteten. Aber Michael Biehl engagiert sich immer auch über die Gemeinde hinaus. Im Ökumene-Ausschuss der Kirchenleitung, zum Beispiel, oder auch im interreligiösen Dialog, mit den muslimischen Moschee-Gemeinden Lübecks, den er mitinitiiert. 1992 übernimmt er einen Lehrauftrag an der Universität in Kiel. „Es gab unglaublich viel, wo ich unterschiedliche Interessen wahrnehmen konnte und das war schon immer wichtig für mich. So konnte ich weiterhin theologisch-akademisch arbeiten, hatte aber auch das überaus Praktische der Gemeindearbeit.“

Michael Biehl arbeitete etwa zehn Jahre als Gemeindepfarrer in Lübeck © Foto: privat | Michael Biehl arbeitete etwa zehn Jahre als Gemeindepfarrer in Lübeck

Als der Ökumenische Rat der Kirchen eine Tagung in Lübeck abhält, engagiert sich der umtriebige Biehl in drei Arbeitsgruppen, leitet Workshops und hält Präsentationen. Der damalige Leiter der Missionsakademie an der Universität Hamburg, Theodor Ahrens, wird auf ihn aufmerksam und ermutigt Biehl, sich zu bewerben. Das tut er auch und erhält die Stelle als Studienleiter. Nach gut zehn Jahren in der Gemeinde kommt er 2001 an die Missionsakademie. „Ich hatte im Nachhinein den Verdacht,“ erzählt Biehl schmunzelnd, „dass die Workshops, die ich gehalten habe, eigentlich schon die Bewerbung waren.“ An der Missionsakademie lehrt und arbeitet Michael Biehl mit internationalen Stipendiat*innen und nationalen Vikar*innen zu Themen von Mission und Ökumene. Auch hier wird er zehn Jahre bleiben und wechselt schließlich als Theologischer Referent zur Evangelischen Mission Weltweit, die damals noch Evangelisches Missionswerk heißt.

Lesen und denken – und im Team arbeiten

In dem/der EMW bedenkt und bearbeitet Biehl gern auch im Team mit anderen EMW-Referent*innen oder Arbeitskreisen theologische Grundsatzfragen in Bezug auf internationale Zusammenhänge, theologische Ausbildung, Ökumene und Mission. „Ich lese und denke, aber ich mag es unheimlich gern, mit Menschen zu arbeiten und Sachen gemeinsam zu entwickeln. Die Kreativität, die in solchen Prozessen entsteht, schätze ich wirklich sehr und fand Teamarbeit immer toll.“ Michael Biehl ist ein Teamplayer. Und der Mission und der Missionstheologie kommen in seinem Leben ein besonderer Stellenwert zu: „Ich glaube, dass Mission, in allem, was ich beruflich getan habe, schon immer da war. Auch wenn ich damals in der Gemeinde, das nie unter Mission gefasst hätte. Die ganzen Fragen von Frieden und Gerechtigkeit, Überwindung von Gewalt und Konflikten, Frieden, Verkündigung des Evangeliums – damals hätte ich mich gewehrt, das Mission zu nennen, aber heute denke ich, in Person dafür einzustehen, an was du glaubst und gemeinsam mit Menschen etwas zu entwickeln und in solchen Zusammenhängen davon zu berichten, was dein Herz bewegt, also quasi eine missionarische Präsenz, all das, würde ich heute Mission nennen.“

Michael Biehls Neigungen haben sich, vom Studium an, in all seinen beruflichen Stationen immer wieder neu zusammengesetzt und aufeinander aufgebaut. Andere würden vielleicht sagen, dies sei so von Gott geführt. Aber nicht Michael Biehl. Das ist einfach nicht sein Stil. Aber eines ist es rückblickend auf jeden Fall: eine wohlgeformte Geschichte.

Tanja Stünckel

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