Lese-Tipp: Deutschland und seine Flüchtlinge

Das Jahr 2015 war von großer Bedeutung für die Weltgemeinschaft. Ein neuer trauriger Höhepunkt wurde erreicht: Die Gesamtzahl der von der UNO-Flüchtlingshilfe betreuten Geflüchteten wurde Ende 2015 auf 16,1 Millionen Menschen geschätzt. Das war der höchste Stand in den letzten zwei Jahrzehnten und ca. 1,7 Mio. mehr Geflüchtete als in den 12 Monaten zuvor. Mit dieser Thematik beschäftigt sich auch das Buch „Deutschland und seine Flüchtlinge“ von Uwe Becker. Christiane Ehrengruber hat es für uns gelesen.

Uwe Becker: Deutschland und seine Flüchtlinge. Transkript Verlag. ISBN: 978-3-8376-6426-3 Uwe Becker: Deutschland und seine Flüchtlinge. Transkript Verlag. ISBN: 978-3-8376-6426-3

In „Deutschland und seine Flüchtlinge“ von Uwe Becker geht es um genau das Jahr 2015. In seiner Analyse beschreibt er die sogenannte „Willkommenskultur“, die große Bewegung in die Gesellschaft brachte und getragen wurde von einer großen Euphorie. Diese Euphorie hielt jedoch nicht lange an, sondern schlug um in Überforderung, und schließlich eine gewisse Zurückhaltung, teils sogar in Feindlichkeit gegenüber den Geflüchteten. Ein hierfür wichtiger Wendepunkt war die Silvesternacht 2015/16 u. a. in Köln.

In all diesen Diskursen waren die Geflüchteten selten Subjekte, sondern wurden oft zu Objekten und Platzhalter*innen in einer Diskussion gemacht, die sich auf diese Weise wenig mit dem eigenen Versagen und den eigenen Problemen auseinandersetzte, sondern schnellen Antworten den Vorrang gab.

Becker widmet sich in verschiedenen Analysesträngen vereinfachenden Narrativen. So wurden beispielsweise im medialen Diskurs die „Schlepper“ oft als Verantwortliche für den Tod vieler Menschen dargestellt. Weitere Faktoren wurden außer Acht gelassen, sodass in der öffentlichen Wahrnehmung den geeinten europäischen Staaten ein zu bekämpfendes Feindbild gegenübergestellt wurde. Dieses vereinfachende Narrativ führte dazu, dass der eigene Umgang mit den Geflüchteten nicht weiter kritisch hinterfragt werden musste.

Besonders lesenswert ist auch der Epilog, der sich unter dem Titel „Gute Flüchtlinge – Schlechte Flüchtlinge“ der Thematik des Krieges in der Ukraine widmet und die vorangegangenen Analysen in den Kontext der Jahre 2022/23 stellt. Die Unterschiede im Umgang mit den Geflüchteten aber auch die Empathie hinsichtlich der Geflüchteten sind prägnant.

Uwe Beckers Analyse ist einerseits empfehlenswert für all diejenigen, die sich mit der Thematik von Flucht auseinandersetzen, gleichzeitig sei sie all denen zur Lektüre empfohlen, die sich für die mediale Aufarbeitung und den gesellschaftlichen Diskurs nicht nur rund um Geflüchtete interessieren. Denn die hier gewonnenen Erkenntnisse sind aufschlussreich im Blick auf die gesamte Gesellschaft und ihre Themen.

Christiane Ehrengruber

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