Taiwans Weg zu Gleichberechtigung

In puncto Gleichstellung liegt Taiwan weltweit unter den Top Ten. Es hat sich auf vielen Ebenen viel getan, um dies zu erreichen. Aber dennoch ist der Weg zur Geschlechtergerechtigkeit ein langsamer Weg, der auch noch nicht abgeschlossen ist. Christ*innen haben durch ihr Engagement in Gesellschaft und Kirche einen großen Anteil daran. Anita Chang, die Ökumenische Jugendbeauftragte der Presbyterianischen Kirche in Taiwan (PCT), gibt einen Einblick in die Situation der Frauen Taiwans.

Frauen in Taiwan haben schon viel erreicht. © Foto: Andrew Haimerl/unsplash | Frauen in Taiwan haben schon viel erreicht.

Taiwan ist ein fortschrittliches und demokratisches Land, das in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte bei der Förderung von Geschlechtergerechtigkeit, Menschenrechten und Freiheit gemacht hat. Trotz der ständigen militärischen Bedrohung und der internationalen Abtrennung durch China wegen seiner „Wiedervereinigungsbemühungen“ ist das selbstverwaltete Taiwan immer noch in der Lage, mit der internationalen Gemeinschaft in Kontakt zu treten, da es gemeinsame Werte vertritt und sich um Themen wie die Gleichstellung der Geschlechter bemüht.

Nach Berechnungen des Ministeriums für Geschlechtergleichstellung im Jahr 2021 steht Taiwan gemessen am Gender Inequality Index des UN-Entwicklungsprogramms in Asien auf Platz 1 und weltweit auf Platz 6, was die Gleichstellung der Geschlechter angeht. Die Erwerbsquote von Frauen im Alter von 15 Jahren oder älter lag in Taiwan bei 51,4 Prozent, verglichen mit 67,3 Prozent bei den Männern; trotz dieser Diskrepanz stieg die Erwerbsbeteiligung der Frauen in den letzten zehn Jahren fast doppelt so schnell wie die der Männer. Taiwan ist ein demokratisches Land, in dem Frauen das Wahlrecht haben und sich an politischen Aktivitäten beteiligen können. Die taiwanische Regierung hat nicht nur eine Präsidentin, sondern auch verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Vertretung von Frauen in der Politik zu erhöhen, darunter Quoten für Frauen in politischen Parteien und die Einrichtung einer Frauenfraktion im Legislativ-Yuan (formeller Name des Parlaments). Derzeit haben Frauen 42 von 113 Sitzen im Legislativ-Yuan inne, was einem Anteil von 37,2 Prozent entspricht.

Frauen in der „Sandwich-Situation”

Es war nicht leicht für Taiwan, ein solches Maß an Gleichberechtigung zu erreichen – wie andere asiatische Länder hat auch Taiwan traditionelle konfuzianische Werte und patriarchalische Normen, die ein erhebliches Hindernis für die Stärkung der Rolle der Frau darstellten. Von Frauen wurde erwartet, dass sie ihre familiären Aufgaben in den Vordergrund stellen und nicht ihre Bildungs- und Karriereziele verfolgen. In den letzten Jahren hat sich die Situation allmählich geändert, und Frauen haben in verschiedenen Bereichen wie Bildung, Beschäftigung und politischer Vertretung erhebliche Fortschritte gemacht. Allerdings haben die Frauen ihre Rolle als Betreuerinnen nicht aufgegeben, nur weil sie in die Rolle einer Berufstätigen eingetreten sind, denn die Gesellschaft als Ganzes hat noch keinen neuen Mechanismus für die Zuweisung von Betreuungsaufgaben in der Familie geschaffen. Außerdem wird von taiwanischen Frauen gesellschaftlich erwartet, dass sie sich sowohl um die älteren Menschen als auch um die kleinen Kinder der Familie kümmern, eine Verantwortung, die als „Sandwich-Situation“ bezeichnet wird und die schwierige Multitasking-Rolle der Frauen in Taiwan beschreibt.

In den letzten Jahren hat es einige positive Entwicklungen gegeben, die die Situation der Frauen in Taiwan verbessert haben. Die Regierung hat verschiedene Maßnahmen und Initiativen zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit ergriffen. Im Jahr 2018 wurde das Gesetz zur Gleichstellung der Geschlechter in der Beschäftigung erlassen, das die gleiche Bezahlung und Chancengleichheit für Männer und Frauen am Arbeitsplatz fördern soll. Die Regierung bietet auch verschiedene Programme und Initiativen an, um die wirtschaftliche Teilhabe und die Führungsrolle von Frauen zu unterstützen, wie den Fonds für das Unternehmertum von Frauen (Women Entrepreneurship Fund) und das Programm zur Entwicklung von Frauen in Führungspositionen (Women’s Leadership Development Program).

Darüber hinaus wurden Anstrengungen unternommen, um das Empowerment von Frauen durch Bildung und Sensibilisierungskampagnen zu fördern. So hat das Bildungsministerium beispielsweise ein Gesetz zur Gleichstellung der Geschlechter eingeführt, das die Gleichstellung der Geschlechter fördern und geschlechtsspezifische Gewalt durch Bildung verhindern soll. Dieses Gesetz verpflichtet die Schulen, das Thema Geschlechtergerechtigkeit in ihren Lehrplan aufzunehmen, und es hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für Geschlechterfragen unter jungen Menschen zu schärfen.

Christinnen verändern nicht nur die Kirche

Christliche Frauen in Taiwan haben oft Zugang zu einer unterstützenden Gemeinschaft von Glaubensgeschwistern. Viele Kirchen in Taiwan haben aktive Frauengruppen, die Möglichkeiten für Gemeinschaft, Bibelstudium und Dienst bieten. Diese Gruppen können eine Quelle der Ermutigung und Stärkung für christliche Frauen in Taiwan sein.

Christliche Frauen in Taiwan engagieren sich auch in verschiedenen Formen sozialer und humanitärer Arbeit in der Gesellschaft, z. B. in der Altenpflege, im Dienst an Obdachlosen und in der Ausbildung und Unterstützung von Kindern und Familien in Not. Viele christliche Frauen in Taiwan betrachten ihren Glauben als integralen Bestandteil ihrer Identität und nutzen ihn als Motivation, um anderen zu dienen und einen positiven Einfluss auf ihre Gemeinschaften auszuüben.

1995 legte der Ausschuss für Frauenarbeit der Presbyterianischen Kirche in Taiwan (PCT) den ersten Sonntag im März als Gedenktag für Frauenarbeit fest, als Ausgangspunkt für die Förderung der Frauenrechte.

Anita Chang ist die Ökumenische Jugendbeauftragte der Presbyterianischen Kirche in Taiwan (PCT). © Foto: privat | Anita Chang ist die Ökumenische Jugendbeauftragte der Presbyterianischen Kirche in Taiwan (PCT).

Alle Kirchen gedenken an diesem Sonntag des Dienstes und der Beiträge, die Frauen in der Vergangenheit geleistet haben, und ermutigen alle Kirchen, die Beteiligung von Frauen an Gottesdiensten, an Entscheidungsprozessen und an ihrem Beitrag zur Gesellschaft anzuerkennen. Obwohl die PCT 1988 damit begonnen hatte, geschlechtsspezifische Bewegungen zu fördern, gibt es in der Kirche heute noch viel Raum für Verbesserungen. Nach einer kürzlich durchgeführten Untersuchung des Ausschusses für Geschlechtergerechtigkeit der PCT ist der Anteil von Frauen in der Leitung von Presbyterien und ethnischen Gruppen, unter Ältesten, Diakon*innen und Mitarbeitenden immer noch niedriger als der der Männer, wobei der Anteil der Gläubigen unter Frauen höher ist als unter Männern.

Insgesamt ist die Situation der Frauen in Taiwan komplex, aber sie verbessert sich. Trotz der Tatsache, dass es immer noch Verbesserungspotenzial gibt, sind Frauen in Taiwan in der Lage, ein erfülltes Leben relativ frei von Diskriminierung zu führen. Die Gemeinschaft der christlichen Frauen in Taiwan hat sich sehr für die Verbesserung der Behandlung von Frauen eingesetzt, nicht nur innerhalb der Kirchen, sondern auch in der Gesellschaft.

Anita Chang


Zur Person

Anita Chang ist die Ökumenische Jugendbeauftragte der Presbyterianischen Kirche in Taiwan (PCT). Sie hat Anatomie und Politikwissenschaften an der der McGill-Universität in Montreal, Kanada studiert und engagiert sich vielseitig in den Bereichen Politik, Religion, Kultur und Gemeindedienst. Anita Chang ist eine Verfechterin von Demokratie, Menschenrechten und staatlicher Transparenz. Vor allem sieht sie ihre Identität im Christentum als Inspiration und Kern ihrer Werte und dient weiterhin als Jugendleiterin und Lobpreisleiterin in PCT-Gemeinden in Taiwan und Kanada.

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