Vielfalt in Frieden feiern

Die vorösterliche Fastenzeit und Ostern überschneiden sich 2022 mit dem muslimischen Fastenmonat Ramadan. Suci und Andy sind ein interreligiöses Ehepaar aus Indonesien. Die unterschiedlichen religiösen Feste sind für sie keine Herausforderung. Was sie unternehmen mussten, um ein Ehepaar zu werden allerdings schon. Ein packender Erfahrungsbericht und ein emotionales Plädoyer.

So harmonisch wie auf diesem Hochzeitsbild war es bei Andy und Sucis Hochzeit nicht. © Foto: Bin Thiu/unsplash | So harmonisch wie auf diesem Hochzeitsbild war es bei Andy und Sucis Hochzeit nicht.

Ich bin Suci Mayang Sari und dreimal verheiratet – immer mit derselben Person. Zuerst islamisch, dann katholisch und schließlich im Standesamt. Das ist unter anderem der Weg, den wir gehen, um zusammenbleiben zu können, weil wir unterschiedlichen Religionen angehören.

Ich wurde in eine bunte Familie hineingeboren. Die Großfamilie meines Vaters ist muslimisch. Die Großfamilie meiner Mutter ist christlich. Mein Großvater mütterlicherseits war javanischer Hindu. Und ich bin katholisch. Ich besuchte eine katholische Schule. Mein Vater schickte alle seine Kinder auf die katholische Schule. In Indonesien gelten katholische Schulen als besser und disziplinierter.

Mein Mann, Andy Budimann hingegen, kommt aus einer großen Familie, in der alle Muslim*innen sind. Andy und ich haben uns im Jahr 2000 kennengelernt. Wir waren beide Journalist*innen bei der Utan Kayu Community. Eine Nische für Kunst, Kultur, Bewegung und Denken. Von diesem Tag an sprachen wir über Literatur, Sex und Gott. Ein Gespräch, das bis heute kein Ende findet.

Ein leidenschaftliches Paradox

Wir sind Menschen, die von verschiedenen Polen herkommen. Sowohl was unsere kulturellen Wurzeln, unsere Interessen und auch was unsere religiösen Entscheidungen betrifft. Wir sind uns oft in vielen Dingen nicht einig. Wirklich ein leidenschaftliches Paradox. Andy und ich sind eine „hartnäckige“ Liebesgeschichte. Da ist kein Zauberspruch, keine Gleichheit, aber wir sind entschlossen, unseren Weg gemeinsam zu gehen. Ich bin Javanin. Meine Haut ist dunkler. Andy ist aus Lampung, er ist weiß und hat schmale Augen. Als wir begannen, miteinander auszugehen, hat die Familie es offen akzeptiert, weil sie unsere jeweiligen Religionen nicht kannte.

Als ich Andys Familie besuchte, hielten sie mich wahrscheinlich wegen meiner dunkleren Haut für eine Muslimin. Ebenso konnte meine Familie bei Besuchen Andy, der weiß ist, für einen Christen halten. Später fanden unsere Familien schließlich heraus, dass es zwischen uns religiöse Unterschiede gab. Wir wurden aufgefordert, uns voneinander fernzuhalten oder das einer von uns die Religion wechselt. Vielleicht dachten unsere Familien, dass unterschiedliche Religionen unsere Beziehung in Zukunft erschweren werden. Doch zwischen mir und Andy gibt es eine Verbindung, die so selbstverständlich geworden ist, wie Löffel und Gabel.

Wenn ich alleine zu einer Veranstaltung komme, fragen einige Freunde, wo Andy ist. Andy geht es auch so. Wie Lu Xun, der chinesische Schriftsteller, sagte: „Ein Traum ist wie ein Pfad in der Wildnis. Zuerst ist er unsichtbar, aber je weiter wir ihn gehen, desto sichtbarer wird er als Weg.“

Zwei Heiratsbücher – kein Erfolg

Fernbeziehung: Bonn – Jakarta © Foto: didgeman/pixabay | Fernbeziehung: Bonn – Jakarta

2010 wechselte Andy zur Deutschen Welle nach Bonn. Die Fernbeziehung zwischen Indonesien und Deutschland war für uns sehr schwierig. Das brachte uns unter anderem dazu, nach Wegen zu suchen, trotz unterschiedlicher Religionen zu heiraten. Wir wollten standesamtlich verheiratet und staatlich anerkannt sein. Das ist wichtig, da wir die Legalität der Eheschließung benötigten, um das Dokumentenbündel für meinen Nachzug zu Andy nach Deutschland beantragen zu können. Wir kennen die Schwierigkeiten interreligiöser Ehen in Indonesien. Daher begrüßten wir es, als uns ein Freund anbot, uns bei einer islamischen Eheschließung zu helfen. Nach der Trauung bekamen wir zwei Heiratsbücher. Mit diesen zwei Heiratsbüchern bewaffnet, habe ich mich um die Umzugsunterlagen gekümmert.

Angefangen habe ich beim KUA (Büro für religiöse Angelegenheiten) im Raum Tebet, wo die Heiratsurkunde ausgestellt wurde. Dort angekommen überprüfte der Angestellte das Hochzeitsbuch. Es stellte sich heraus, dass unsere Namen nicht in der Heiratsurkunde bei der KUA standen. Das bedeutet, dass unsere Heiratsurkunde gefälscht war und nicht legalisiert werden konnte. Natürlich waren wir traurig und verärgert, weil wir getäuscht wurden. Dann entschieden wir uns, Informationen über eine katholische Heirat zu finden. Zu diesem Zeitpunkt lebte Andy bereits in Deutschland. Also musste ich mich in Jakarta selbst darum kümmern. Zu dieser Zeit konnten nicht alle Gemeinden interreligiöse Ehen akzeptieren. Glücklicherweise lernten wir Pater Andang Binawan SJ., einen Generalvikar des Erzbischofs von Jakarta kennen und bekamen Hilfe von ihm. Pater Andang kontaktierte den Pater in der Gemeinde Sunter – wo ich als Gemeindemitglied registriert bin – um den Prozess unserer Eheschließung zu erleichtern. Dann besorgte ich die gesamten Akten, Taufbriefe, Geburtsurkunden, Familienstammbäume und Anschreiben von regionalen Behörden (RT, RW und Kelurahan). Ich habe auch Andys Geburtsurkunde erneut an das Büro für Bevölkerung & Bürgerregistrierung geschickt. Vermutlich gab es damals so viele Dokumente zu beantragen, dass mich das krank machte und ich Typhus bekam.

Im Katholizismus gibt es mehrere Stufen, die durchlaufen werden, um eine Ehe schließen zu können. Unter anderem mussten wir Ehekurse belegen, zwei Zeugen suchen und Andy musste sich als Nicht-Katholik einer „kanonischen Prüfung“ unterziehen. Die kanonische Prüfung sollte herausfinden, ob Andy auch nie vorher verheiratet war und einer Heirat nichts im Wege stand. Doch Andy war damals bereits in Deutschland. Mehrmals kehrte er nach Jakarta zurück, um die Stufen dieses Prozesses zu durchlaufen. Um es kurz zu machen, wir haben es geschafft, in der Regina Pacis-Kapelle in der Stadt Bogor nach katholischem Ritus zu heiraten. Danach mussten wir noch die Heirat beim Standesamt vollziehen.

Gegenseitig unterstützen – Unterschiede genießen

Auch hier haben wir uns um die angeforderten Unterlagen gekümmert und zwei Zeugen für die Heiratszeremonie im Standesamt gesucht. Insgesamt haben wir also drei Mal geheiratet: islamisch, katholisch und schließlich auf dem Standesamt. Unsere Ehe ist also rechtsgültig und staatlich anerkannt. Bewaffnet mit den legalen Heiratsurkunden brachte ich meinen Antrag auf den Weg, meinem Mann nach Deutschland zu folgen. Die Legalisierung durchlief vier Instanzen, nämlich bei der Gemeinde Bogor, dem Standesamt, dann beim Außenministerium, und schließlich bei der Deutschen Botschaft in Jakarta. Alle Dokumente mussten von einem vereidigten Übersetzer ins Deutsche übersetzt werden. 2011 hatte ich es endlich geschafft und konnte Andy nach Deutschland folgen. Seit 2015 sind wir jedoch unter anderem deshalb nach Indonesien zurückgekehrt, weil wir unsere kranken Eltern unterstützen mussten und uns auch direkt in die sich dynamisch entwickelnde Politik in Indonesien einbringen wollen.

Ketupat wird in Indonesien vor allem zu Festen, wie dem Fastenbrechen Eid al-Fitr (indonesisch: Idul Fitri) zubereitet und serviert. © Foto: Meutia Chaerani/wikimedia | Ketupat wird in Indonesien vor allem zu Festen, wie dem Fastenbrechen Eid al-Fitr (indonesisch: Idul Fitri) zubereitet und serviert.

Andy und ich sind von unterschiedlicher Ethnizität und Religion. Wir genießen diesen Unterschied. In jeder Adventszeit erinnert mich Andy oft daran, einen Weihnachtsbaum aufzustellen, um der Mutter eine Freude zu machen (wir leben bei meiner katholischen Mutter). Andy spielt auch weihnachtliche Jazzmusik sowohl zu Hause als auch im Auto per Spotify. Jedes Jahr zu Weihnachten besuchen wir die Großfamilie meiner Mutter, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. Während der Fastenzeit vor Ostern und Weihnachten hält sich Andy oft an meine fleischlose Ernährung. An bestimmten Tagen spielt Andy gerne das Lied Ave Maria. Ihm zufolge kann das Lied das Herz beruhigen. An Eid al-Fitr (das Fastenbrechen am Ende des Ramadans) bin ich an der Reihe, Andys Familie zu besuchen, um Eid zu feiern und gemeinsam zu Mittag zu essen. Ich bereite dann auch traditionelle indonesische muslimische Menüs für Andy zu, wie Ketupat, Geflügel-Opor, Kürbisgemüse und Rendang.

Ich bin derzeit Prodiakonin (Akolythin) in meiner Pfarrkirche. Als Prodiakonin hat man die Aufgabe, den Pfarrer im Dienst an den Menschen zu unterstützen, unter anderem durch das Austeilen der Hostien während der Messe. Zu den Voraussetzungen, um Prodiakon*in zu werden, gehört, die Erlaubnis des Ehepartners einzuholen. Natürlich hat Andy seine Zustimmung gegeben, indem er ein Genehmigungsschriftstück unterschrieb, damit ich zur Prodiakonin geweiht werden konnte. Wie bei Hegels Liebesbegriff ist die Liebe dialektisch. Denn Liebe ist die Vereinigung zweier gegensätzlicher Elemente/Naturen. Liebe verbindet und erhält gleichzeitig die Unterschiede. In der Liebe werden die Unterschiedlichen eins, aber tatsächlich können sie nicht eins sein. Sie sind immer noch zwei. Das Hin und Her in Vielfalt und Einheit, das macht die Liebe so dynamisch, aktiv und leidenschaftlich. Ich glaube, je mehr interreligiöse Ehen es gibt, desto friedlicher wird die Welt sein. Lasst uns Vielfalt in Frieden feiern.

Suci Mayang Sari

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