Habermas: "Das Spannende ist die Ambivalenz"

Prof. Dr. Rebecca Habermas, Universität Göttingen.

Missions- und Kolonialgeschichte eng miteinander verflochten

Prof. Dr. Rebekka Habermas, Historikerin an der Universität Göttingen, sprach am 8. Juni im gut gefüllten Großen Saal der EKD am Berliner Gendarmenmarkt, am dritten Abend der Reihe "Mission und Kolonialismus. Gespräche zu einer postkolonialen Erinnerungskultur", gemeinsam veranstaltet von Berliner Missionswerk und Evangelischer Akademie. Ihr Thema waren die „Missionare, Missionarsfrauen und Diakonissen. Ein schwieriges Verhältnis in der Kolonialzeit“.

Anhand dreier Schicksale aus der deutschen Kolonie Togo (eine indigene katholische Nonne, ein indigener protestantischer Christ, eine deutsche Diakonisse) benannte Habermas die Spielräume und Grenzen der Handlungsmöglichkeiten in den Kolonien. Das Spannende sei die wahnsinnige Ambivalenz, sagt Habermas. Auf der einen Seite legitimierten sich Kolonialherren und Missionare gegenseitig - „auf der anderen Seite lag im Gleichheitsversprechen des Christentums eine ungeheure Energie für künftige Kämpfe“. Kein Wunder, dass viele Anführer von Befreiungsbewegungen in den 1960ern Missionsschüler waren. Und wir sollten nie vergessen, so Habermas‘ eindringliches Plädoyer, „die Mission ist so viel mehr als die (männlichen) Missionare“. Die haben nur die meisten Quellen hinterlassen, so Habermas.

Missions- und Kolonialgeschichte sind eng miteinander verflochten. Missionare zogen im 19. Jahrhundert in weite Teile der Welt unter den Bedingungen des politischen Kolonialismus aus. Sie mussten sich - unterstützend, kollaborierend, duldend oder distanzierend - zu den Kolonialmächten verhalten. Zweifellos ist Mission daher Teil der Kolonialgeschichte. Wahr ist aber auch, dass sich das Verhältnis von Mission und Kolonialmächten abhängig von Ort, Zeit und Akteur*innen ganz verschieden gestaltete. Hinzu kommt, dass heute in Deutschland und in den damaligen Missionsgebieten ganz unterschiedlich an diese Zeit erinnert wird. Was aber heißt das für die heutige Erinnerungskultur von Institutionen, deren eigene Geschichte sich mit der Kolonialgeschichte kreuzt? Das ist Ausgangspunkt einer Gesprächsreihe, zu der die Evangelische Akademie zu Berlin und das Berliner Missionswerk einladen.

Der vierte Veranstaltung der Reihe ist wieder ein Online-Termin: „Wie lässt sich ein Museum dekolonisieren? Mission und Kolonialismus. Gespräche zu einer postkolonialen Erinnerungskultur“. Infos unter https://www.eaberlin.de/seminars/data/2022/pol/wie-laesst-sich-ein-museum-dekolonisieren/

Eine Kooperation der Evangelischen Akademie zu Berlin mit dem Berliner Missionswerk.