Rassimus in der Kirche

Am internationalen Tag gegen Rassismus spricht M. Garlinda Burton, Interimssekretärin der Kommission „Religion and Race“ der Evangelisch-methodistischen Kirche, über Rassismus in der Kirche, ihr Versagen und darüber, dass Kirche das Potential hat, ein Vorbild für Veränderung zu sein.

M. Garlinda Burton © Foto: privat | M. Garlinda Burton

M. Garlinda Burton ist Diakonin in der United Methodist Church in den USA und verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung als Autorin, Dozentin und Trainerin zu den Themen interkulturelle Kompetenz, Race und Gendergerechtigkeit.

Die Kommission „Religion and Race“ wurde 1968 gebildet, um die neu gegründete Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in ihrer Verpflichtung zur Ablehnung der Sünde des Rassismus in allen Bereichen des kirchlichen Lebens zur Rechenschaft zu ziehen. Während Rassismus das Hauptaugenmerk bleibt, nimmt die Kommission auch größere Zusammenhänge und Themen wie Armut, Nationalismus, Stammeskonflikte, Genderdiskriminierung, Homophobie, Behinderung und generationsbedingte Vorurteile in den Blick. Denn alle Formen der Unterdrückung sind miteinander verbunden und können nicht isoliert angegangen werden.

Frau Burton, was ist Ihrer Ansicht nach das größte Versäumnis der Kirche, wenn es um die Bekämpfung von Rassismus geht?
Das größte Versagen der Kirche besteht darin, dass wir als Christ*innen unseren Glauben um das Idol einer weißen, westlichen Vorstellung von Jesus Christus herum gebaut haben, die drei Viertel der Weltbevölkerung als minderwertig ausgrenzt und davon ausgeht, dass diese Menschen der weißen „Rettung”, Erziehung und „Korrektur” bedürfen. Das ist rassistisch und nicht vereinbar mit dem Evangelium von Jesus Christus, der als Mann mit dunkler Hautfarbe auf die Erde kam und dessen Volk unter rassistischer/ethnischer Unterdrückung durch die römische Regierung lebte. Anstatt einen christlichen Glauben anzunehmen, der alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Ethnie als gleichwertig und nach Gottes Ebenbild erschaffen anerkennt, und auf eine Welt hinzuarbeiten, in der alle Menschen mit Gott und untereinander versöhnt sind, haben weiße Christ*innen die Botschaft des Evangeliums missbraucht, um Land zu stehlen, nicht-weiße Menschen zu versklaven und zu unterdrücken und sogar Götzenbilder von Jesus als weißem „Herrn” zu schaffen.

Wo kann die Kirche am besten Einfluss auf Fragen des Rassismus nehmen?
Wir brauchen eine christliche Erweckung, die von innen heraus beginnt. Unsere rassistische Geschichte muss in der christlichen Erziehung und im Gottesdienst Thema sein. Wir brauchen Bekenntnis, Buße und Wiedergutmachung. Die Kirche muss sich mit Theolog*innen, Prediger*innen und Menschen auf der Straße zusammenschließen, die nicht weiß sind – so wie Jesus sich mit anderen zusammengeschlossen hat – und damit beginnen, zu reparieren, was unser Rassismus angerichtet hat. Jede weiße christliche Gemeinde sollte eine Beziehung des Dienens und des aktiven Zuhörens mit Menschen pflegen, die durch unseren Rassismus geschädigt wurden. Wir müssen als Gemeinde aktiv werden. Wir müssen uns für eine Strafrechtsreform im Namen der Millionen Schwarzen (und auch der Roma und anderer Ureinwohner) einsetzen, die überproportional häufig im Gefängnis landen. Und wir sollten Reparationszahlungen an die Gemeinschaften fordern, die ihres Reichtums beraubt wurden. So hat beispielsweise eine Universität in den USA einer Organisation, die sich um schwarze Jugendliche kümmert, zehn Millionen US-Dollar übergeben als kleine Rückzahlung an die Erben ehemals versklavter Schwarzer, die die meisten der historischen Gebäude ohne Bezahlung gebaut hatten. Ebenso sollten Christ*innen in der Kirche und darüber hinaus spürbare Anstrengungen unternehmen, um das zurückzugeben, was im Namen des Rassismus gestohlen wurde, und um Buße zu tun und öffentlich zu erklären, dass wir Gottes Ruf folgen werden: „Geht hin und sündigt nicht mehr.”

Welche Rolle sehen Sie für Ihre Kirche?
Ich glaube, dass die EmK in einzigartiger Weise in der Lage ist, der Welt zu zeigen, was christliches Bekenntnis, Reue, Wiedergutmachung und Vergebung sein könnten. Wir haben die finanziellen Mittel, das theologische und biblische Verständnis und das Potenzial der Welt zu zeigen, was es bedeutet, eine neue, verwandelnde Schöpfung in Christus zu werden. Wenn wir in unserer Kirche nur unsere Budgets, unsere christliche Bildungsagenda und unsere Führungskräfteentwicklung für Pastor*innen und Laien antirassistisch ausrichten würden, würden wir neue Gemeinden gründen, in denen junge Menschen aller Rassen/Ethnien/Kulturen die Kirchenbänke füllen, um zu lernen, wie man einen wahren, weltverändernden Glauben lebt. Wir sollten von unseren Pastor*innen verlangen, jenseits der Kirchenmauer das ganze Viertel, in dem ihre Kirche steht, als ihre Gemeinde zu betrachten und sich für das Wohl der Gemeinschaft zu engagieren und dabei ethnische und kulturelle Barrieren zu durchbrechen und Partnerschaften zu bilden. Ich bin überzeugt, dass es dann im Umkreis von zwei Kilometern um eine methodistische Kirche kein einziges hungerndes Kind mehr geben würde, weil wir uns darauf konzentrieren würden, das auszurotten, was das ganze Volk Gottes umbringt. Ich glaube, dass unsere Kirche und ihre Mitglieder die Kraft des Heiligen Geistes haben, um Rassismus zu einer Sache der Vergangenheit zu machen. Aber es erfordert Führung auf allen Ebenen, um zu erklären, dass ein Leben nach Jesu Vorbild nur möglich ist, wenn man die weiße Vorherrschaft und die rassistische Ungerechtigkeit hinter sich lässt.

Das Interview führte Matt Barlow.

Internationaler Tag gegen Rassismus

Der Internationale Tag gegen Rassismus wird jährlich am 21. März begangen und wurde 1966 von den Vereinten Nationen ausgerufen. Anlass war der sechste Jahrestag des Massakers von Sharpeville durch Einheiten der South African Police. Das Massaker von Sharpeville war die Erschießung von 69 Demonstrant*innen und die Verletzung vieler weiterer wegen ihrer Hautfarbe diskriminierter Personen im Township Sharpeville am 21. März 1960. Seit 1979 finden zu dieser Zeit jährlich auch die „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ statt.

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