Theologische Ausbildung
Die EMW unterstützt und begleitet im Auftrag ihrer Mitglieder ökumenisch-theologische Aus- und Fortbildung in Partnerkirchen weltweit.
Mehr ...Wie kann eine Gemeinschaft nachhaltig verändert werden? Und wie werden die Erkenntnisse aus wissenschaftlicher Forschung in Kirchengemeinden getragen? Das ist oftmals eine schwierige Angelegenheit. Im Oxford Center for Mission Studies (OCMS), einem Projektpartner der EMW, hat man einen Weg gefunden, die Veränderung ganz gezielt von innen zu bewirken. Theologische Forschung wird dort auf eine besondere Art und Weise gefördert.
© Foto: Christiane Ehrengruber | Am Oxford Center for Mission Studies, einem Projektpartner der EMW, geht es darum, die Gemeinschaft zu verändern.
Eine Promotion kann viele Türen öffnen. Zum einen durch die Kontakte, die durch die Forschung geknüpft werden aber auch durch die tief gehende inhaltliche Beschäftigung mit einem bestimmten Thema. Doch eine Promotion sollte nicht nur in der akademischen Welt Veränderung bewirken, sondern in Gemeinden hineinwirken. Davon ist man am Oxford Center for Mission Studies (OCMS) in England überzeugt. „Wer hier promovieren möchte, muss einiges mitbringen: Die Studierenden brauchen eine Gemeinde, in der sie engagiert sind und die das Vorhaben unterstützt, eine wirklich gute Idee und vor allem Durchhaltevermögen und Leidenschaft“, sagt Marina Behera, die Teil des Fakultätsteams ist.
Denn am OCMS startet das Vorhaben nicht mit dem Kontakt zu den Betreuenden, die das Potential der Promovierenden erkennen und gemeinsam ein Thema suchen, das zu allen Parteien – den Betreuenden, den Promovierenden und auch der akademischen Institution im Hintergrund – passt. Stattdessen bewirbt man sich für eine Promotion am OCMS bereits mit einem thematischen Vorschlag.
Die Themen, die von den etwa 120 Promovierenden behandelt werden, sind ganz individuell. „Es geht darum, die Gemeinschaft zu verändern“, so Behera. Aus diesem Ansatz lässt sich auch erkennen, warum der gute Kontakt zur eigenen Gemeinde so wichtig ist. Hier entsteht die Idee, hier wird die Idee verfolgt, hier wird die Promotion geschrieben und hier sollen die Erkenntnisse wirken.
Wenn eine Bewerbung angenommen wird, erarbeiten die Promovierenden in einer ersten Phase in Oxford mit Mentor*innen den Entwurf. Auch einige Seminare zur wissenschaftlichen Arbeit und aus dem Bereich der Theologie sind Teil dieser ersten Phase in Oxford. Diese gemeinsame Grundlagensetzung ist auch deshalb wichtig, weil nicht alle Doktorand*innen einen theologischen Abschluss oder überhaupt akademische Studienerfahrung haben.
Ist der Entwurf angefertigt, wird dieser bewertet. Die Leitfrage ist hierbei laut Behera: „Kann das eine gute Doktorarbeit werden? Wird diese Arbeit die Welt prägen und verändern?“
Im Anschluss findet die offizielle Registrierung statt und das Schreiben und Forschen beginnt – wieder im heimischen Kontext. Denn nur die ersten sechs Wochen des Programmes finden in Oxford statt. Diese mobile Arbeitsweise soll es den Promovierenden ermöglichen, in ihrer Heimat verortet zu bleiben und nicht die Verbindung und darin begründete einzigartige Perspektive zu verlieren.
Die Promovierenden kommen mit ihren eigenen Vorkenntnissen, Interessensgebieten und Ideen. Das OCMS sucht dann die passenden Betreuer*innen. Diese sind nicht alle in Oxford anzutreffen, sondern ebenfalls auf der ganzen Welt verteilt. So wird den Promovierenden die bestmögliche Betreuung garantiert. Denn die Themen der Doktorarbeiten sind alles außer alltäglich. Neben der fachlichen Betreuung kümmert sich das Team vom OCMS auch darum, dass die Kommunikation mit den Betreuenden funktioniert und die Forschung voranschreitet.
Das OCMS bringt also Spezialist*innen in Randthemen der Theologie zusammen mit Doktorand*innen, die nicht nur von einem akademischen Interesse geleitet sind, sondern einen praktischen Bezug zur Thematik haben. Das macht die Kooperation auch für die Betreuer*innen so spannend, da diese oft thematisch sehr versiert sind, aber diesen praktischen Bezug nicht haben.
© Foto: privat | Dr. Marina Ngursangzeli Behera gehört zum Fakultätsteam des Oxford Center for Mission Studies in England.
Das OCMS kommt aus einer evangelischen, bzw. evangelikalen Tradition, aber „es ist ein ökumenischer Ort, an dem Studierende aus verschiedenen christlichen Prägungen willkommen sind. Dieser Austausch ist eine große Bereicherung“, erklärt Marina Behera. Und nicht nur die ökumenische, sondern auch die kulturelle Weite wird im OCMS wertgeschätzt. „In den Seminaren teilen die Studierenden nicht nur ihre Erkenntnisse miteinander, sondern geben einander auch Feedback und erzählen von Erfahrungen aus dem eigenen kulturellen Kontext“, erläutert Behera.
Das Besondere an einer Promotion am OCMS ist, dass die Studierenden, die vorwiegend aus dem globalen Süden kommen, stets mit dem Kontext verbunden bleiben, aus dem heraus ihre Motivation zur Forschung kommt und in den hinein auch die Ergebnisse der Forschung wirken sollen. „Die Studierenden können somit von den Strukturen im globalen Norden profitieren, aber ohne ihre Verbindung zu ihrer Heimat zu verlieren und ohne ihre Art zu denken zu verwestlichen“, sagt Marina Behera. Sechs Wochen im Jahr sind die Studierenden in Oxford, die restliche Zeit über sind sie in ihrer Heimat. In dieser Zeit stellen die Studierenden ihre Arbeit vor, sprechen miteinander und mit den Betreuer*innen, werden gezielt gefördert und können auch die Bibliothek nutzen. So kommt es zu einem globalen Wissensaustausch und einem globalen Lerneffekt.
Eine besondere Förderung für Frauen gibt es, dennoch ist es ein Anliegen von Marina Behera, dass Frauen nicht nur über „Frauenthemen“ schreiben, sondern sich genauso mit allen anderen theologischen Themen auseinandersetzen. Einen besonderen Fokus auf feministische Themen gibt es darum nicht. Behera ist der Ansicht, dass sie nur aus einer privilegierten Position heraus spricht, die nicht den Bedürfnissen und den Situationen aller Frauen gerecht wird. Stattdessen bevorzugt sie es, die verletzlichen Elemente bei allen Menschen zu berücksichtigen, die Menschen aber nicht auf diese zu reduzieren. Diese Form des Empowerments gibt sie auch an die Studierenden weiter.
Durch die besondere Arbeitsweise des OCMS hat die Pandemie die Arbeit nicht signifikant ausgebremst. Die Studierenden wurden jedoch teils in ihren Kontexten stark eingeschränkt und konnten ihrer Arbeit nicht wie gewohnt nachgehen, was dann natürlich auch die Forschung beeinflusst hat. Aber der Kontakt zum OCMS habe sich so noch intensiviert, wie Behera erzählt.
Besonders bemerkenswert ist die Modernität dieses Ansatzes. Studierende fertigen hier spezifische Arbeiten an, die so kultursensibel wie nur möglich sind, gleichzeitig sind sie aber auch Teil einer global präsenten Gruppe. Auch wird hier der individuelle Hintergrund – sowohl kulturell als auch akademisch, wie auch aus religiöser Perspektive – holistisch als Bereicherung erkannt, die es nicht anzugleichen oder auf einen gemeinsamen (meist westlichen) Standard zu bringen gilt. Jede*r hat eine ganz einzigartige Perspektive und eine ganz einzigartige Fragestellung. Und wird damit nachhaltig ganz einzigartig die Welt verändern. Das hofft auch Marina Behera, die diese Veränderung von Menschen und Gemeinschaften als Ziel des OCMS benennt.
Christiane Ehrengruber
Dr. Marina Ngursangzeli Behera stammt aus Mizoram, einem Bundesstaat im Nordosten Indiens, und gehört zum Fakultätsteam des Oxford Center for Mission Studies, einem Projektpartner der Evangelischen Mission Weltweit.
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