Erklärt: Mission postkolonial

Mission und Kolonialismus – wie eng sind die beiden miteinander verwoben und was bedeutet das für die heutige Aufarbeitung der Geschichte? Nur zwei Fragen von vielen, die die heutige Diskussion prägen. Was in dem Begriff „Mission postkolonial“ steckt, erklären EMW-Direktor Rainer Kiefer und EMW-Referentin Almut Nothnagle.

© Foto: Matt Walsh/unsplash

Heute gibt es auf allen Kontinenten und fast allen Ländern christliche Gemeinden und Kirchen. Dies ist auch ein Ergebnis europäischer Mission als grenz- und kulturüberschreitende Verbreitung des Evangeliums. Sie begann schon im 16. Jahrhundert. Anfang des 17. Jahrhunderts reisten die ersten evangelischen Missionare in das außereuropäische Ausland. Eine besondere Dynamik entwickelte sich im 19. Jahrhundert, das durch wirtschaftliche Industrialisierung und staatliche Kolonialpolitik geprägt war. Die Begegnung mit Menschen in fernen und bisher unbekannten Ländern ermöglichte in Deutschland ein besonderes Engagement für die Mission. Am Anfang waren es junge Handwerker und Bauern, die sich für die Idee der weltweiten Mission gewinnen ließen. Sie wurden in der Heimat ausgebildet und in die Missionsarbeit im Südlichen Afrika, in Indien und Äthiopien entsandt. Besonders in den Ländern des Südens, die durch Handel und Kolonialpolitik im Fokus waren, entstanden auch Missionsstationen. Die Weitergabe des christlichen Glaubens, aber auch Schulunterricht und medizinische Versorgung prägten im Rahmen eines ganzheitlichen Verständnisses die Anfänge der Mission.

Dieses Kapitel der Missionsgeschichte wird heute in Deutschland und in den Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und des Pazifiks im Kontext kolonialer Machtausübung europäischer Staaten oft kritisch gesehen. Es wird beklagt, dass damals wehrlose Menschen aufgrund eines religiös-kulturellen Überlegenheitsgefühls ihrer Kultur, ihrer Lebensweise und ihrer traditionellen Religion beraubt wurden und sich europäischer Lebensweisen, ihren Werten sowie der christlichen Religion anpassen mussten. Diese kritischen Anfragen und Einsichten sind berechtigt. Die Geschichte der christlichen Mission ist auch eine Geschichte von Scheitern und Schuld.

Heute wird auch darüber diskutiert, wie stark die Geschichte des Kolonialismus, und des darin gründenden Rassismus mit der deutschen/europäischen Identität verstrickt ist und welche Folgen sich daraus für die Aufarbeitung der Geschichte ergeben.

Eine pauschale Diskreditierung der Missionsgeschichte übersieht allerdings auch die Tatsache, dass viele Menschen, die mit dem christlichen Glauben in Kontakt kamen, das Evangelium als befreiende Kraft erfahren haben. Und dass mit den Missionsstationen auch Schulbildung und medizinische Versorgung in die Region kamen. So sind beispielsweise zahlreiche Persönlichkeiten der Unabhängigkeitsbewegung afrikanischer Staaten aus Missionsschulen hervorgegangen.

Das Wissen um diese Ambivalenz belastet die Geschichte der weltweiten Mission und führt bis heute dazu, dass Mission kritisch betrachtet wird. Aus diesem Grund stellen sich Kirchen und Missionswerke den kritischen Anfragen und arbeiten die eigene Geschichte in kolonialer Vergangenheit im Gespräch mit den heutigen Partnern auf. (Rainer Kiefer/Almut Nothnagle)

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