Theologie in das Leben einbetten

„Green Campus“ heißt das Schlagwort für das Sonderprogramm der EMW, das 2023 zum ersten Mal ausgeschrieben wurde. Theologische Ausbildungsstätten waren weltweit aufgerufen, sich mit ihrem Projekt im Bereich Ökotheologie zu bewerben. Von 29 eingegangenen Anträgen 2023 konnten sieben bewilligt werden. Das Jakarta Theological Seminary (JTS) ist eines von ihnen.

Das Jakarta Theological Seminary wird zum Green Campus. © Foto: Jakarta Theological Seminary | Das Jakarta Theological Seminary wird zum Green Campus.

Es ist das älteste theologische Seminar in Indonesien. Angestaubt ist das Theologische Seminar Jakarta (Jakarta Theological Seminary, JTS) allerdings keineswegs. Im Gegenteil. Das JTS ist sich seiner Vorbildfunktion und Strahlkraft in Bezug auf die theologische Ausbildung in Indonesien bewusst. Daher erforscht die regelmäßig alle vier Jahre wechselnde Führungsriege immer wieder neue Wege, um innovativ und relevant zu bleiben. Dazu gehört auch, auf aktuelle Herausforderungen theologische aber auch ganz praktische Antworten zu finden.

Herausfordernde Umweltsituation

Eine der größten Herausforderungen für Indonesien ist seine Umweltsituation. Die ökologische Zerstörung etwa durch Bergbau und Palmölplantagen beeinträchtigt das Ökosystem in vielen Gebieten Indonesiens. Hinzu kommen die Auswirkungen von Fast Fashion auf Abfall, Wasser und Abwasser und eine hohe Luftverschmutzung in Großstädten wie Jakarta. Diese Situation wird auch durch Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben und Tsunamis noch verschlimmert. Einigen Prognosen zufolge wird Jakarta sich ab dem Jahr 2050 einer radikalen ökologischen Krise stellen müssen. Doch eigentlich hat die Krise längst begonnen. Jakarta sinkt.

Seit 2019 ist daher die Ökotheologie fest in den Lehrplan des JTS integriert. Zunächst vor allem theoretisch. Doch schnell wurde klar, dass es auch praktische Anwendungen geben muss, um die Studierenden, die Kirchen und die Gesellschaft Indonesiens nachhaltig zu beeinflussen. Daraufhin wurde 2022 das Projekt Green Campus, Blue Seminary ins Leben gerufen. „Theologie muss in das Leben der Menschen eingebettet sein“, erklärt Dr. Septemmy Lakawa, Theologie-Professorin am JTS, den Ansatz der theologischen Hochschule.

Praktische Maßnahmen mit Strahlkraft

Ökotheologie ganz praktisch: Mit Solarpaneelen nachhaltig Energie erzeugen. © Foto: Jakarta Theological Seminary | Ökotheologie ganz praktisch: Mit Solarpaneelen nachhaltig Energie erzeugen.

Im ersten Schritt wurde das JTS selbst mit ökologischen Maßnahmen in puncto Nachhaltigkeit in den Fokus genommen. Im Zentrum steht die Vision, das JTS in einen umweltfreundlichen Campus umzuwandeln. Zu den Maßnahmen zählen Begrünung und Umgestaltung ebenso wie Maßnahmen zur Energieeinsparung und Energiegewinnung. So wurden etwa, mit der Unterstützung von Fachleuten, Bäume ausgewählt und gepflanzt, die sich in Bezug auf Boden-, Wasser- und Witterungsverhältnisse für das Campus-Gelände eignen und zukünftig für Abkühlung sorgen. Es wurde ein Mülltrennungs- und Müllmanagementsystem etabliert und schließlich Solarpaneele auf dem Dach installiert. Die ressourcenschonenden Veränderungen reichen auch direkt bis in den Seminaralltag hinein, denn Hausarbeiten, Referate und Prüfungen werden inzwischen größtenteils rein digital – also papier- und plastiklos abgegeben.

Nicht nur Lehre und Forschung – auch Nachhaltigkeit

Manche Studierende engagieren sich beim Urban Gardening. © Foto: Jakarta Theological Seminary | Manche Studierende engagieren sich beim Urban Gardening.

Doch anfänglich passte die Neuausrichtung des Theologischen Seminars Jakarta längst nicht allen. „Als wir das Programm vorgestellt haben, gab es bei unseren Partnerorganisationen einige kritische Stimmen, die meinten, unsere Aufgabe sei Lehre und Forschung und da hätte eine Umstrukturierung auf Nachhaltigkeit nichts verloren. Wir sollten uns doch lieber auf unsere Kernkompetenzen besinnen“, erklärt Dr. Septemmy Eucharistia Lakawa, Projektleitung und Leiterin des Führungsteams der JTS während der Direktionsperiode 2019-2023. „Aber unser theologisches Seminar liegt in Jakarta. Daher ist es unsere Auffassung, dass wir auf die prekäre Umweltlage Jakartas theologisch und praktisch reagieren müssen. Wenn wir das nicht tun, verlieren wir die Relevanz und können eigentlich gleich zumachen. Für uns ist außerdem klar: Wir können finanziell nur dann nachhaltig wirtschaften, wenn wir uns auch ökologisch nachhaltig verhalten.“

Die Veränderungen zeigen schon erste Erfolge. Viele Studierende sind begeistert über die praktischen Bezüge zur Ökotheologie und engagieren sich auf vielfältige Weise in unterschiedlichen Projekten. Manche drehen Filme, die die Mülltrennung auf dem Campus erklären, andere machen beim Urban-Gardening mit oder komponieren Lieder zum Thema Bewahrung der Schöpfung, um das Thema und damit verbundene mögliche Verhaltensänderungen immer bekannter zu machen.

Damit Gottes Liebe erfahrbar bleibt

Ab 2024 beginnt die zweite Phase des Projektes. Hier steht vor allem die Wissensvermittlung auch außerhalb der Hochschule im Vordergrund. Denn das JTS spielt eine wichtige Rolle bei der Sensibilisierung der theologischen Schulen und Kirchen für die ökologische Krise, indem sie etwa Kurse und Seminare zu ökologischen Themen anbietet. Hierbei werden auch neue Themen in Bezug auf die Ökotheologie erforscht. Desweiteren ist eine internationale und interreligiöse Konferenz geplant, die weit über den Campus hinaus gehen und hoffentlich, so hofft Lakawa, große Strahlkraft entwickeln wird und so ermöglicht, dass die indonesische Gesellschaft und die Religionen miteinander auf die ökologische Krise reagieren können. Warum das alles? Für Lakawa keine Frage: „Auch in hundert Jahren soll Gottes Liebe für die gesamte Schöpfung noch erlebbar sein und die Natur soll nicht nur überleben, sondern aufblühen.“ Und um das zu erreichen, geht das Jakarta Theology Seminary in der Ausbildung seiner Studierenden immer wieder innovative Wege. Das „Green Campus, Blue Seminary“-Projekt ist einer davon.

Tanja Stünckel


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